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Reviews

Musikreviews der Woche mit John Cale und The Coup

Neuer Tourbus, bekiffte Produzenten, spannende Hemden und der blödeste Genre-Name überhaupt. Unsere Reviews.

YOUNG SMOKE
Space Zone
Planet Mu

Im Rennen um den blödesten Genre-Namen kommt Footwork kurz vor IDM, und beides verbindet sich auf Space Zone. Das Debüt des jüngsten Produzenten der Chicagoer Hype-Szene, Young Smoke, erscheint nicht ohne Grund auf Mike Paradinas’ Label für Elektroniker, „die auch mal Köpfchen klar machen”. Faszinierend zu hören, wie lose, zerfahren, nahezu willenlos hier gezischelt und gepluckert wird—Elektro-Veteranen erinnern sich in besonders klaren Momenten an The Hague (Is The Plague), während die flitze-füßigen Eintänzer alle Sensoren putzen müssen, um ja keinen der vertrackten Beats zu verpassen.

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FRED ASSTAIR

JOHN CALE
Shifty Adventures In Nookie Wood
Domino Records

Paul Banks tat mir immer ein bisschen leid. Eigentlich wollte er ein unterkühlter, anbetungswürdiger Halbgötze sein, obwohl ihm natürlich nie bewusst war, dass Interpol wie die Joy Division der 2000er klingen und man trotz Michael Stipe-Double-Stimme gerne etwas boulevardeske Exzentrik von ihm gesehen hätte. Diese Erwartungen wurden für seine zarte Künstlerseele dann wohl schnell zuviel, doch statt sich zu erschießen, wurde er moppelig, picklig und einfallslos. Die teuren Hemden spannten und die mystische Patina, die Interpol wenigstens zum Teil umhüllte, bekam wie seine Nasenscheidewand immer mehr Risse. Dabei ist er doch bestimmt – Was, das ist gar nicht Paul Banks? Komisch, klingt genauso.

HEINRICH MANŒUVRE

THE COUP
Sorry to Bother You
Anti/Indigo

Boots Riley ist ein vielbeschäftigter Mann. Er schreibt Drehbücher, hält Vorträge über den organisierten Klassenkampf und hat gerade bei Kickstarter $ 30.000 für einen neuen Tourbus eingesammelt. Und er ist Chef bei The Coup, denen seit rund 20 Jahren die zweifelhafte Ehre zukommt, einer der besten und zugleich unbekanntesten HipHop-Crews der Westküste zu sein. Ihr neues Album vereint die rohe Energie von 70er-Punk, eine ordentliche Prise marxistische Ideologie und einen Gastauftritt von Japanther zu etwas, das ziemlich verwirrend und ziemlich großartig klingt. War noch was? Ja, Alec Empire ist auch dabei. Zugegeben, das klingt, als ob sich jemand über unsere feuchtesten Jugendträume lustig macht, ist aber ernst gemeint. Und auch wenn es die Welt mal wieder nicht interessieren wird, so wollen wir an dieser Stelle wenigstens darauf hinweisen, was sie verpasst.

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LEMON HAZE

SKIP&DIE
Riots in the Jungle
Crammed Discs/Indigo/PIAS

So weltgewandt das Tribal-Bass-Debüt von Skip&Die daherkommt, so wenig lässt sich verbergen, dass es von einem Holländer produziert wurde. Dies äußert sich vor allem in einer unangenehmen Omnipräsenz von Fahrradklingeln, Polizeisirenen, Kindergeschrei und vielen anderen Sounds, die man heute in jeder modernen Audiosoftware im berüchtigten „Various FX“-Ordner findet. Man fühlt sich unweigerlich in ein Tonstudio in Amsterdam versetzt, wo ein schwer bekiffter Produzent einen im Grunde schon fertigen Track hört und plötzlich mit leuchtenden Augen ruft: „Hey, lasst uns doch noch eine Hupe oder ein Hundegebell einbauen!“ Nein, das ist keine gute Idee, Kumpel. Hat man sich jedoch einmal daran gewöhnt, alle zwei Minuten zusammenzuzucken, weil man denkt, dass das Handy oder der Postbote klingelt, kann man Riots in the Jungle durchaus noch einige positive Facetten abgewinnen.

RUDI ROTTWEILER