Seth Troxler: „Ketamin ist das Heroin unserer Zeit​“
Luke Christopher

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Interview

Seth Troxler: „Ketamin ist das Heroin unserer Zeit​“

Der Produzent hat mit uns über Drogen, EDM und Steve Aoki gesprochen.

Selbst, wenn du ihn noch nie auflegen gesehen hast, weißt du ziemlich sicher, wer Seth Troxler ist. Als jemand, der sich sowohl auf großen Festivals und kleinen Undergroundclubs gleichermaßen zuhause fühlt, war der 29-Jährige beim explosiven Wachstum der elektronischen Musikszene in den letzten zehn Jahren immer vorne mit dabei. Da er aus Michigan stammt, hat es Troxler sich zur Aufgabe gemacht, die Fahne für Detroit als Geburtsort des Techno hochzuhalten, und entwickelte sich mit der Zeit zu einem der größten Kritiker der fortschreitenden Kommerzialisierung elektronischer Musik—aus den Reihen der größeren DJs zumindest. Seths Problem mit EDM lässt sich dabei wohl auf das Thema Authentizität runterbrechen.

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„Mir geht es vor allem um das Vermächtnis", sagt er gegenüber THUMP. „Das ist wohl eine typische Detroitsache, sich um das Vermächtnis zu sorgen—und es ist gar nicht so einfach, selber ein Teil davon zu werden. Jahrelang sagte Carl Craig immer, Seth gehört nicht dazu! Er stammt aus Kalamazoo!' Als ich dann vor zwei Jahren beim Resident Advisor [Leserpoll] den ersten Platz machte, lautete der erste Tweet dazu ‚Detroit's own Seth Troxler …' Ich dann also, ‚Carl, gehör ich jetzt dazu?' und er so, ‚Aber so was von!'"

Seit er sich als ernstzunehmender Künstler etabliert hat, hat es sich Troxler zur Aufgabe gemacht, auf mangelnde Authentizität im Elektro-Genre hinzuweisen. „Auch wenn ich immer sehr viel Spaß dabei habe, ist das, was ich künstlerisch mache, sehr authentisch", sagt er. „Das ist das Argument, das ich versuche gegen EDM auf den Tisch zu bringen. Wir sind Teil einer Kultur, die Musik basierend auf einer Idee macht, die sehr authentisch ist, wohingegen die anderen Musik machen, die allein auf Profit ausgerichtet ist."

Als regelmäßiger Gast auf Bühnen großer Festivals—dem Nexus der Mainstream-EDM-Kultur—ist Troxler sich durchaus bewusst, dass er selbst von der Industrie profitiert, gegen die er so leidenschaftlich wettert. Während er sich im letzten Jahr in einem Gastbeitrag für THUMP vehement gegen all das aussprach, zeigt er sich nun etwas versöhnlicher. „Ich bin nicht total gegen Festivals", stellt er klar. „Es gibt einige wirklich fantastische Festivals auf der Welt. Ich bin nur dagegen, wenn Menschen Festivals ohne Konzept, ohne Produktion oder ohne wirklichen Inhalt veranstalten. Dieses Konzept, in Amerika ein Festival auf einem großen Parkplatz zu veranstalten, eine große Leinwand aufzustellen und beschissene DJs einzuladen, dagegen habe ich was."

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Troxler sieht sich selbst als Verfechter der Authentizität im Angesicht herrschender Oberflächlichkeit—allein schon durch seine Präsenz in EDM-freundlichen Lineups. „Den finanziellen Zuschuss, den die moderne Dance-Szene gerade erhält, hat eine Menge Menschen verändert", sagt er. „Ob du auf dem Boden bleiben kannst, hängt von der moralischen Stärke deines Charakters ab. Wenn du mit dem Erfolg vernünftig umgehst und diesen auch dazu benutzt, deine Ideale, für die du stehst, weiter zu verfolgen, dann kann das eine gute Veränderung sein."

Foto: Luke Christopher

Es sind aber nur nicht nur die kommerziellen Festivals, die Troxler ins Fadenkreuz genommen hat. DJ Sneak und Nina Kraviz sind beide schon mit dem DJ aneinander geraten. In seinem Beitrag für THUMP rechnete er verbal mit Avicii und Steve Aoki ab, was ihn dann auch noch recht lange verfolgen sollte: „Ich lebte den Sommer über auf Ibiza und es gab da diese Saftbar nicht weit von meinem Haus. Eines morgens bin ich zum Frühstück dorthin", erzähl er. „Ich war gerade dabei, zu zahlen, als plötzlich Steve Aoki neben mir auftauchte und sagte, ‚Yo, Dude! Ich bin Steve. Was zur Hölle?' Wir hatten daraufhin so etwas wie eine Unterhaltung und er meinte dann so, ‚Lass uns zusammen essen. Wir sollten reden.' Ich sagte nur, ‚Ja, ich weiß nicht. Ich muss noch einiges erledigen.'"

„Den ganzen Sommer über ruft mich Aoki immer wieder an und schreibt dann sein eigenes Manifest. Ich lese mir das durch und lach mich kaputt. Ich war fest davon überzeugt, dass das nur ein Witz sein konnte. Mein Freunde meinten alle, ‚Frag ihn! Frag ihn, ob es ein Witz ist!' Also haute ich ihn an, ‚Yo, die Sachen, die du da geschrieben hast. Du machst da Scherze, oder?' und er so, ‚Nein, ich meine das ernst.' Ich sagte dann nur noch zu ihm, dass wir wohl nichts mehr miteinander zu bereden hätten. Er schreibt darin, dass er als Teil einer Minderheit aufgewachsen ist … Jetzt mal ernsthaft, halt die Fresse! Eine Minderheit in Beverly Hills? Verpiss dich! Ich weiß nicht, ich fand das ziemlich bescheuert. Manchmal fragen die Leute, ‚Warum musst du immer alles scheiße finden? Warum musst du so ein Arschloch sein?' Ich antworte darauf immer, ‚Weil ich dich nicht mag und das, wofür du stehst.'"

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Doch Aokis DIY-esque Gründungsgeschichte seines eigenen Labels, Dim Mak, während seiner Zeit als UCSB-Student weist dann doch mehr Gemeinsamkeiten mit der Mythologie des Detroiter Techno-Undergrounds auf, für den Troxler so gerne in die Bresche springt, als man östlich des Mississippis jemals zugeben würde.

So direkt er auch immer ist, sagt Troxler, dass er nicht einfach austeilt. „Wenn ich jemanden oder etwas nicht mag, dann sage ich es der Person direkt ins Gesicht", erklärt er. „Ich mache nichts hinter deinem Rücken. Das ist die Sache. Ich habe zuvor schon mal einen Schlag ins Gesicht bekommen. Ich habe schon einige Schläge ins Gesicht bekommen. Mir wurde schon ins Gesicht getreten. Auf meinem Gesicht wurde rumgetrampelt. Es war scheiße, aber so lernst du im Leben dazu."

Troxler erinnert sich an eine Geschichte aus seiner Jugend, in der er sich über das Stottern eines Freundes lustig machte. Für seine Sticheleien kassierte er dann einen ordentlichen Schlag auf den Kiefer und rannte tränenüberströmt nach Hause, nur um dort von seiner Mutter wieder raus zur Bushaltestelle geschickt zu werden, um dort seine volle Strafe zu bekommen. Der Kumpel machte ihn wieder fertig. Als er dann endlich nach Hause kam, sich vor Schmerzen den Kopf haltend, schickte ihn seine Mutter auf sein Zimmer. „An diesem Tag habe ich etwas gelernt", sagt Troxler. „Du kannst frech sein, aber kein totales Arschloch. Wenn du eine Tracht Prügel dafür kassierst, dass du ein Arschloch bist, dann lernst du viel über das Leben."

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Troxler und Jamie Jones

Ein essenzieller Aspekt von Seth Troxlers Persönlichkeit ist auch, dass er so zugänglich ist. Bei Festivals mischt er sich oft unter das Publikum und hat einfach so viel Spaß wie die Raver um ihn herum. Außerdem ist er recht offen, wenn es um das Thema Drogen geht..

„Ich habe schon einige Erfahrungen mit Psychedelika gemacht", erzählt Troxler. „Ich hatte verrückte Trips, durch die ich erkannte, dass ein guter Mensch zu sein, meine oberste Priorität ist. Ich will kein Leben nach dem Tod, bei dem ich nicht durch mein jetziges Leben an einen besseren Ort gelange. Und ich bin fest davon überzeugt, dass es ein Leben nach dem Tod gibt. Ich glaube, ich konnte diesen Ort schon durch DMT und andere Chemikalien sehen."

„Ich habe letztens Frosch genommen", fügt er hinzu. „Dieses Mädchen hatte im Amazonas diesen Frosch gemolken und ich hatte diesen verrückten, außerkörperlichen, tantrischen Orgasmus. Danach hörte ich von heute auf morgen mit dem Rauchen und dem Koks auf. Einfach so!" Auch wenn er vielleicht die psychedelischen Qualitäten bestimmter Frosch- und Pflanzenarten zu schätzen weiß, ist Troxler dann doch kein Freund von allen Drogen. „Ich finde, Ketamin ist das Heroin unserer Zeit", sagt er über das Narkosemittel, das sich in der Underground Techno Szene, in der sich Troxler bewegt, großer Beliebtheit erfreut.

„Es ist furchtbar. Es ist beschissen", sagt er—zugegebenermaßen aus eigener Erfahrung. „Und G ist auch furchtbar. Ich finde, die Leute sollten nur Ecstasy nehmen und trippen."

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Seth Troxler ist die Zukunft der elektronischen Musik und sein Platz darin wirklich wichtig. „Die Leute denken immer, dass es in unserer Szene nur um Drogen und Feiern geht", sagt er. „Aber Musik und Geschmack sind wirklich ein Zeichen von Intelligenz. Wenn du in der Underground-Szene unterwegs bist, dann sind die Leute, die du dort triffst, sehr gebildete, professionelle Menschen, die tolle Sachen machen. Über die EDM-Szene kannst du das nicht unbedingt sagen."

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