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Sexuelle Übergriffe, Maßkrug-Schlägereien und Hitlergrüße—Die Wiesn-Polizei über das Oktoberfest

Wie kann man einen Vergewaltigungsversuch von besoffenem Fummeln unterscheiden? Wir haben die Wiesn Polizei befragt.
Ob sie am nächsten Tag einen Kater hatte? Oktoberfest 2015. Foto: Imago

Jedes Jahr treffen sich in Bayern mehrere Millionen Menschen und bilden eine traditionelle Parallelgesellschaft: das Oktoberfest. Die diesjährige Ausgabe des Schunkel- und Trinkfestes auf der Münchner Theresienwiese startete am vergangenen Wochenende. Neu in diesem Jahr: ein Zaun um das Gelände herum samt Sicherheitskontrollen. Aufgestellt haben ihn die Veranstalter in Abstimmung mit der Polizei aufgrund verschiedener Vorkommnisse in Bayern in den vergangenen Monaten.

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Der Zaun soll aber nicht nur ungebetene Gäste dieser Art abhalten, sondern auch viel zu hohe Besucherströme. Die gab es dieses Jahr bisher allerdings noch nicht, weil es an allen Tagen in Strömen regnete. Unter der halben Million Gäste (nur halb so viele wie im Vorjahr) fanden sich bereits am Samstag schon Anhänger der „ganz alten Bundesländer" (Harald Schmidt). Drei Männer zeigten gegen 22 Uhr in einer Festhalle den Hitler-Gruß, riefen „außerdem weiter deutlich vernehmlich 'Heil Hitler' und weitere strafrechtlich relevante Sprüche", wie die Münchner Polizei in einer Pressemitteilung schreibt.

Schlagzeilen machten aber nicht nur die niedrigen Besucherzahlen und Bierpalast-Nazis, sondern auch eine mutmaßliche versuchte Vergewaltigung, die von der Polizei zum Glück verhindert werden konnte. Die Beamten beobachteten am Samstagabend eigenen Angaben zufolge ein sich küssendes Pärchen. Das Einsatzteam schritt zunächst nicht ein, „die Situation (kam ihm) jedoch komisch vor", so dass man nochmals umkehrte. Die Frau war nun bereits unterhalb der Hüfte entblößt und der Mann wollte „augenscheinlich den Akt vollziehen", wie die Polizei schreibt. Allerdings wirkte die 21-Jährige sehr betrunken und desorientiert, weshalb die Beamten eingriffen. Der 32-jährige mutmaßliche Täter wurde festgenommen und auf die Wiesn-Wache gebracht.

Gibt es derartige Fälle auf dem Oktoberfest häufiger? Wie sieht allgemein der Alltag der Beamten auf dem Fest aus? Wie steht es bisher mit anderen Delikten aus dem StGB? Wie ist die Lage im Vergleich zu den Vorjahren? THUMP sprach darüber mit Claudia Künzel. Sie ist Pressesprecherin der Münchner Polizei und war selbst schon zahlreiche Male auf dem Oktoberfest im Einsatz.

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THUMP: Frau Künzel, was für Delikte gab es auf der diesjährigen Wiesn bisher so?
Gestern gab es eine Maßkrug-Schlägerei. Mit einem solchen Krug kann man jemanden schon mal umbringen, das ist schon sehr bedrohlich. Sexualdelikte sind auch an der Tagesordnung. Vom Angrapschen oder versuchter sexueller Nötigung bis hin zur Vergewaltigung. Viele Taschendiebstähle gibt es auch. Oder Falschgeld.
Überwiegend gibt es Streitereien, bei denen sich die Gäste gegenseitig hauen, ohne dass etwas passiert. Teilweise sind die Menschen dann so betrunken, dass sie gar nicht mehr wissen, was eigentlich war und nüchtern dann einfach bei uns aus. Ab dem frühen Nachmittag geht es mit diesen Sachen los.

Gab und gibt es auch Drogendelikte?
Klar, die gibt es auch. Wir haben dafür auch spezielle Kollegen vor Ort, die in Zivil unterwegs sind. Überwiegend geht es da um Leute, die einen Joint rauchen. Fälle mit Kokain kommen auch vor.
Auf der Wiesn finden Sie die gesamte Bandbreite des Strafgesetzbuches.

Anfang der Woche wurde eine versuchte Vergewaltigung von zwei Beamten auf dem Oktoberfest verhindert. Wie schwierig ist es, zwischen einer „normalen Situation", in der sich zwei Menschen küssen und einer sexuellen Belästigung zu unterscheiden?
Das ist natürlich immer schwierig. Ich hab selbst schon in der Wiesn-Einsatzgruppe gearbeitet. Vermutlich war es so, dass die Beamten an der Gruppe vorbeigelaufen sind und gesehen haben, dass die beiden knutschen. Das ist natürlich nicht weiter verwerflich. Man hat aber gesehen, dass die Frau in einem Zustand war, in dem sie nicht mehr wusste, wie ihr geschieht, weil sie sehr betrunken war. Es sah vermutlich so aus, dass der mutmaßliche Täter der Agierende war und die Frau, die das einfach mit sich machen lässt. Da kann man dann schon mal genauer hingucken. Und nachdem er dann über das Küssen hinaus zugange war, haben die Beamten eingegriffen.

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Wie spricht man in einer solchen Situation denn jemanden oder beide an?
Vermutlich wurden beide angesprochen, zumindest ist das die Regel. Wahrscheinlich hat sie dann nicht reagiert oder gezeigt, dass sie nicht mehr wusste, was sie da macht. Wir fragen in solchen Situationen für gewöhnlich, ob alles in Ordnung ist. Vielleicht wurde auch nur das mutmaßliche Opfer angesprochen: „Kennen Sie den Herrn?"

Also gibt es da keine besondere, deeskalierende Strategie?
Da gibt es keine Vorgaben, das ist von Situation zu Situation unterschiedlich.

Gab es solche Fälle in den letzten Jahren schon?
Ja, das kommt immer mal wieder vor.

Verhindern zu große Besucherströme: Münchner Polizisten. Foto: Imago

Wie sieht allgemein der Alltag eines Polizeibeamten auf der Wiesn aus?
Es sind zu Stoßzeiten bis zu 18 Einsatzgruppen mit sechs Mann/Frau. Die gehen den ganzen Tag Streife, entweder ohne oder mit Auftrag der Einsatzzentrale hier vor Ort. Durch das ‚Streife laufen' verbreiten wir präventiv Sicherheit.

Hat sich Anzahl der Einsatzkräfte im Vergleich zu den letzten Jahren verändert?
Es sind dieses Jahr 100 mehr Beamte als im Jahr zuvor.

Woran liegt das?
Aufgrund der verschiedenen Vorkommnisse in Bayern in den letzten Monaten, wurde das Sicherheitskonzept angepasst.

Wie ist denn die Lage auf dem diesjährigen Oktoberfest im Vergleich?
Sehr ruhig. Wir haben zwar Einsätze, allerdings momentan noch deutlich weniger als letztes Jahr. Es sind aber bisher auch weniger Leute da als letztes Jahr. Das ist hauptsächlich dem schlechten Wetter geschuldet, aber vermutlich auch der veränderten Sicherheitslage.

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