Tausende Menschen wollen, dass die Chemical Brothers Israel boykottieren
Sollten ihre Live-Show nicht in Israel zeigen: The Chemical Brothers. Foto Chemical Brothers: Flickr/Alterna2/CC BY 2.0. Foto rechts:Imago

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Tausende Menschen wollen, dass die Chemical Brothers Israel boykottieren

Anführer des Aufrufs ist Pink Floyd-Chef Roger Waters.

Wenn zum Boykott von Nationen aufgerufen wird, geht es fast immer um Israel. Selbst deutsche Lehrer erachten es für wichtig, dazu aufzufordern. Gleiches gilt für den Bassisten von Pink Floyd, Roger Waters. Immer wieder forderte er in den letzten Jahren andere Musiker zum Boykott Israels auf.

Waters' neuester Aufruf richtet sich an die Chemical Brothers. Gemeinsam mit anderen Künstlern ruft er im Namen der Organisation "Artists for Palestine UK" das elektronische Duo dazu auf, ein für den 12.November geplantes Konzert in Tel Aviv abzusagen. In dem offenen Brief heißt es: "Eure Plattenfirma Virgin EMI erzählt euch vielleicht, dass ein Auftritt in Tel Aviv eine coole Sache ist. Aber Tel Avivs Hipster Vibe ist nur eine Illusion vor einem Sicherheitsstaat, der die Hälfte der indigenen palästinensischen Bevölkerung 1948 vertrieben hat und ihren Nachfahren die Rückkehr verweigert." Weiter schreibt Waters: "Wenn ihr nach Israel geht, wird eure Präsenz von den israelischen Behörden dazu benutzt, ihren Bürgern zu versichern, dass alles ok ist und niemand sich dafür interessiert, dass die Palästinenser leiden."

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Zusätzlich zu diesem Aufruf, gibt es eine Online-Petition mit den Namen "Chemical Brothers: Push the Button, Boycott Apartheid Israel", die in eine ähnliche Richtung geht. Dort heißt es, dass die Chemical Brothers durch ihren Auftritt helfen würden, den falschen Eindruck herzustellen, dass "Israel ein normales Land wie jedes andere sei." Allgemein würden Künstler, die in Israel auftreten, den jüdischen Staat von Besatzung und Apartheid reinwaschen.

Roger Waters ist seit zehn Jahren Mitglied des BDS (Boycott, Divestment and Sanctions) Movement, das sich einen umfassenden Boykott Israels zum Ziel gesetzt hat. Massive Attack und Faithless beteiligen sich an diesem Boykott. Keine Waren aus den von Israel besetzten Gebieten, kein kultureller, monetärer oder akademischer Austausch; das ist die Marschrichtung. Waters benutzte als Begründung für sein Engagement schon einen Vergleich, der den Holocaust relativiert. Über Israel sagte er 2013:"Die Parallelen zu dem, was in den dreißiger Jahren in Deutschland geschehen ist, sind so offensichtlich." Auf der Bühne verwendet er gerne einen fliegenden Ballon in Form eines Schweines, der neben den Logos von Konzernen wie McDonald's auch von einen Davidstern "geziert" wird.

Ebenso etabliert wie derartige Boykott-Aufrufe ist auch die Kritik an solchen. Der Göttinger Antisemitismusforscher Samuel Salzborn hat zur Unterscheidung von Israel-Kritik und Antisemitismus etwa drei Kriterien aufgestellt, auch bekannt als die drei Ds: Delegitimation, Dämonisierung, doppelte Standards. Findet man diese vor, "dann ist davon auszugehen, dass es sich nicht um den Modus der Kritik an Israel, sondern um antizionistischen Antisemitismus handelt."

Roger Waters zum Beispiel delegitimiert und dämonisiert Israel, in dem er es mit der nationalsozialistischen Volksgemeinschaft gleichsetzt. Doppelte Standards werden demnach von ihm, BDS und anderen angelegt, in dem sie ausschließlich Israel die Schuld an der Lage im Nahen Osten geben, ohne andere Akteure wie die Hamas, Hisbollah, Iran oder Saudi-Arabien besonders zu nennen. Auch Menschenrechtsverletzungen von palästinensischen Behörden werden häufig nicht genannt.

Sowohl in dem offenen Brief als auch in der Online-Petition an die Chemical Brothers wird der Eindruck erweckt, Israel sei der schlimmste Staat auf Erden. Dabei bescheinigen diverse NGOs von Freedom-House über den Internationalen Gewerkschaftsbund bis Reporter Ohne Grenzen, Israel, zumindest das freiste Land im Nahen Osten zu sein. Trotz der angespannten Sicherheitslage ist der Grad an Pressefreiheit höher als zum Beispiel in Bulgarien. Im Demokratie-Ranking des Economist steht Israel auf Platz 36. Doch niemand hat bisher gegen die 131 weniger demokratischen Länder einen Boykott gestartet oder sie als Wiedergänger des Nazi-Regimes bezeichnet. Über den Iran hat Roger Waters zwar einen Protestsong geschrieben, jedoch nie zum Boykott aufgerufen oder anderweitig derartig engagiert. Warum dieser Bias?

Von den Chemical Brothers gibt es bislang kein verlässliches Statement zu dem Boykottaufruf. Auf ihrer Homepage wird das Konzert in Tel Aviv nicht geführt, Tickets können allerdings noch erworben werden.

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