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Warteschlangen

Warteschlangen vor Clubs sind die dümmste Erfindung des Nachtlebens

„Steht ihr hier wirklich über drei Häuserblocks für den Club an?", fragst du den Typen vor dir. „Nee, das hier ist die Schlange für die Gästeliste. Die Normale fängt da hinten an."

Jedes Wochenende dasselbe: Du hast jede Menge vorgeglüht, deine Freunde um dich versammelt, deine Jogginghose gegen eine echte Hose ausgetauscht und ihr seid bereit, loszuziehen und den Rest der Nacht in einem ausgewählten Club zu verbringen. Doch kaum ist der ausgewählte Tempel der Musik in der Ferne in Sicht, rempelt dein Party-Squad auch schon versehentlich die Leute am Ende der Schlange an. „Steht ihr hier wirklich über drei Häuserblocks für den Club an?", fragst du dann den Typen vor dir. „Nee," ist seine Antwort „das hier ist die Schlange für die Gästeliste. Die normale fängt irgendwo in der Nachbarstadt an." Warteschlangen sind definitiv der siebte Kreis der Hölle.

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Der Berghain-Effekt

Seit die Techno-Kultur aus Berlin in den Rest des Landes schwappt, hält sich jede mittelmäßige Dorfdisco für das Berghain. Die Konsequenz davon: Jeder Veranstalter stellt ein paar selbstüberzeugte Türsteher mehr ein, die an der Pforte entscheiden dürfen, wer reinkommt und wer nicht. Grundsätzlich ist das auch gut so, denn niemand in der berghainisierten Dorfdisco hat Lust auf die betrunkenen Trottel aus der anderen Dorfdisco, deren Hobbys Pöbeln, David Guetta und Saufen sind. Wenn das aber in den Verhältnissen gipfelt, dass Clubs eine Schlange erzwingen wollen, um so cool und angesagt wie das Berghain zu wirken, passiert es oft, dass zwar hundert Leute vor der Tür stehen—die Tanzfläche aber leer ist und der DJ ganz alleine in der Kanzel steht und seine Musik kurz leise macht, um der Barkeeperin zuzurufen, dass er gerne noch ein veganes und glutenfreies, stilles Wasser hätte.

Du nüchterst aus

Du hattest alles perfekt geplant: Zwei Bier, drei kleine Gin Tonic und ein halbes Näschen. Du kennst deinen Körper so gut, um zu wissen, dass du nicht als „zu besoffen und drauf" an der Tür abgewiesen wirst. Jahrelanges ausprobieren und hochkomplizierte mathematische Formeln, die irgendwas mit Alkohol-Gehalt, Körpergewicht und der Geschwindigkeit einer afrikanischen Schwalbe zu tun haben, ließen dich das beste Rausch-Und-Trotzdem-Reinkommen-Verhältnis eruieren. Nur leider hast du deine Rechnung ohne die Schlange gemacht. Nein, nicht die aus dem Dschungelbuch, hattest doch ein bisschen zu viel, oder? Die Rede ist von der Schlange vor dem Club. In den Nächsten Stunden wirst du unweigerlich nüchtern werden, vielleicht setzt auch schon dein Kater ein. Wenn du endlich an der Pforte ankommst, ist dir ein Kaffee und eine Aspirin lieber als jeder Drink.

Unsägliche Langeweile

Türsteher checken dich nämlich normalerweise schon ab, bevor du überhaupt an der Tür bist. Deswegen solltest du dich in der Warteschlange auch nicht aufführen, wenn du noch eine reale Chance haben möchtest, in den Club gelassen zu werden. Im Klartext bedeutet das: Du solltest kein Bier trinken, nicht offensichtlich Drogen konsumieren, niemanden laut anpöbeln und dich auch nicht nackt ausziehen, deinen Penis in Kreisen schwingen und Helikopter-Geräusche mit dem Mund machen (außer du stehst vor einem dieser ganz speziellen Clubs, du weißt schon, welchen ich meine). Das Einzige, was du für ein bisschen Abwechslung in den nächsten Stunden tun kannst, außer deine Freunde anzuschweigen, ist, auf dein Handy zu schauen.

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Die Kälte raubt dir den Verstand

Dinge die man nicht tun sollte, wenn es Winter ist oder die Nächte kühl sind: In Warteschlangen vor Clubs anstehen und auf sein Handy schauen. Klar hat dein neues iPhone diesen tollen Modus, mit dem man es mit Handschuhen bedienen kann, du frierst dir also deine Finger nicht ab. Aber das ist auch gar nicht das Problem an den niedrigen Temperaturen. Väterchen Frost scheißt auf deine Finger, er will deinen Verstand. Langsam kriecht er dir mit jedem kurzen Windstoß in den Kopf und kühlt dein Gehirn immer weiter ab, bis du dich nicht mehr richtig artikulieren kannst und dich bewegst, als hättest du gerade einen Schlaganfall hinter dir. Also versuch nicht, dir das Geld für die Garderobe zu sparen, zieh eine Jacke an und setz eine Mütze auf, Kind, sonst holst du dir den Tod.

Sexismus an der Tür

OK, nehmen wir mal an, du hast den langen und harten Winter überlebt und bist jetzt an der Tür angekommen. Dann gibt es noch folgende Möglichkeiten: Entweder lässt der Türsteher dich rein oder… „Naja, mit den Schuhen heute nicht, aber nächstes Mal vielleicht, Kollege. Was, du bist nicht komplett schwarz angezogen, Freundchen, dann aber nicht hier, wir sind doch All-Black-Everything, Kollege. Und außerdem seid ihr ja nur Typen und habt keine einzige Frau dabei, Kollege, ihr glaubt doch nicht, dass wir hier eine Würstchenparty feiern, mein Freund, einen Nudelsalat veranstalten oder was? Ich meine, klar klauen wir unsere Konzepte behelfsmässig vom Berghain, Alter, aber dass wir deswegen gleich größere Männergruppen reinlassen, verstehste den Witz, weil in Berlin ist doch jeder Typ schwul, Kollege, ne, das kommt mir nicht in die Tüte. Und jetzt macht Platz für die zwei Mädchen hinter euch, die zwar aussehen, als wären sie 14, aber auf ihrem Ausweis steht, dass sie 28 sind und „McLovin" heißen. Ja tschau jetzt, sonst muss ich grob werden, Kollege."

Warteschlangen nerven.

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Wenigstens bei Twitter wurde Vincent reingelassen.

Fotos: Imago