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Türsteher

Warum tun so viele Menschen alles Mögliche, um in einen bestimmten Club zu kommen?

Ein neuer Werbespot zeigt, wie wichtig das “Reinkommen” für heutige Generationen geworden ist. Doch kannst du dir den Einlass wirklich “erkaufen”?
Türsteher Frank Künster vo(r)m King Size kennt sich mit hartnäckigem Andrang aus. Foto von Marcello Bärlin

Die Clubtür. Um kaum ein Thema ranken sich derartig viele Mythen. Das Internet ist voll von Anleitungen, die dir dabei helfen sollen, in den Club deiner Wahl zu kommen. Einige Tipps mögen sinnvoll sein, andere wiederum durchaus zweifelhaft.

So oder so: Die Frage, ob man reinkommt, treibt offenbar viele Menschen um. Sie wollen dazugehören, zum erlesenen Kreis der Reinkömmlinge. Da wird dann sogar die Klamottenwahl überdacht und angepasst. Wo Punks und Raver der ersten Stunde sich bewusst vom Konformismus abgrenzten und niemals auf die Idee gekommen wären, sich eigens Klamotten zu kaufen, um in einen angesagten Laden zu kommen, wird das subkulturelle Prinzip heute umgedreht. Reinkommen ist alles. Der Club ersetzt die Clique. Das schlimmste Schicksal ist offenbar das des Hundes, der per Schild zum Draußenbleiben verdammt wird.

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Die Dringlichkeit des Reinkommens wurde mittlerweile sogar von der Werbung erkannt. In einem millionenfach geklickten, aktuellen Spot verspricht so etwa der Onlineausstatter ABOUT YOU, zu verraten, "Wie Du in JEDEN Club kommst" (sic). Nach einem Umstyling kommen die gerade noch abgewiesenen Clubgänger hier plötzlich problemlos am Türsteher vorbei.

Aber geht das so einfach? Ist Stil käuflich? Und welche gesellschaftliche Bedeutung hat das in-den-Club-Kommen mittlerweile bekommen?

Wir haben das jemanden gefragt, der das am besten beurteilen kann: Frank Künster, einer der bekanntesten Türsteher Deutschlands. Jedes Wochenende steht er vor der Berliner Institution King Size Bar (die er mittlerweile auch betreibt) und sorgt mit seiner Autorität für die richtige Mischung.

THUMP: Frank, du bist seit über 20 Jahren Türsteher. Legen die Leute heute mehr Wert darauf, in einen bestimmten Club zu kommen als früher?
Frank Künster: Bei uns im King Size sind die Leute nicht so. Wir achten nicht darauf, was die Leute für Klamotten tragen. Die einzige Regel, die wir haben: Die Leute dürfen nicht zu sehr in Funktionsklamotten gekleidet sein.

So Jack Wolfskin Outfits, meinst du?
Ja genau. Der Rest ist halt egal. Wir orientieren uns mehr an anderen Dingen. Weil wir so winzig sind, lasse ich vor allem Stammgäste rein. Menschen, die ich kenne. Fremde Menschen eigentlich nicht, zumindest Männer nicht, Frauen manchmal schon. Das ist hier halt anders als im Berghain oder im Kater, wo ein riesen Gewese darum gemacht wird.

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Also denkst du, dass es bei anderen Clubs schon so ist, dass die Leute extrem viel dafür tun, reinzukommen? Mein Eindruck ist, dass für viele die Frage "Komm ich hier rein?" wichtiger geworden als, sagen wir mal, das Ergebnis der nächsten Bundestagswahl.
Das ist richtig. Wir haben im King Size aber auch eine andere sozio-ökonomische Struktur als in anderen Clubs. Zu uns gehen Leute, die es nicht als Privileg betrachten, hier reinzukommen. Bundestagsabgeordnete, Professoren und Künstler. Das sind Leute, die ganz viele Privilegien in ihrem Leben haben. Deshalb haben die eine andere Perspektive darauf. Die sehen das als Selbstverständlichkeit an, hier reinzukommen und machen sich keine Gedanken darüber, was sie anhaben. Sie sind halt, wie sie sind, und allein das muss reichen.

Und den Studenten und Freiberuflern, die zum Beispiel ins Berghain gehen, denen ist es wichtiger, reinzukommen, weil sie dieses Privileg haben wollen?
Genau. Das Berghain hat auch ein anderes Konzept als wir. Es ist so mythisch. Wenn da dieser Sven davor steht, der schon aussieht wie Zerberus, dann spielen sie die Techno-Hölle. Dazu die ganze Homoerotik. Außerdem werden Dinge im Verborgenen gehalten. Keine Fotos usw. Diese bewusste Mystifizierung machen wir nicht mit. Alle können sehen, was hier passiert. Trotzdem ist es ein geschützter Ort.

Haben die Leute vor deiner Tür trotzdem schon mal was Krasses gemacht, um reinzukommen?
Nicht wirklich. Die Leute erzählen halt Geschichten, warum ich sie reinlassen muss. Was sie schon alles gemacht haben. Ein mal im Jahr rasten die Leute vielleicht aus. Alles vernachlässigbar.

Was für Geschichten erzählen die Leute so?
"Ich bin der CEO von der und der Internet-Firma!", zum Beispiel. So Bla-Bla-Zeug.

Also würdest insgesamt sagen, dass Stil nicht käuflich ist? Ich kann mir nicht einfach—wie in dem Video—bestimmte Klamotten kaufen und komm dann bei euch rein?
Nein, auf keinen Fall. Ich bin nicht käuflich. Manchmal wedeln die Leute hier mit 200 oder 300 Euro vor meiner Nase. Dann sage ich denen: Sorry, ich bin nicht bestechlich. Das finde ich immer peinlich, wenn Leute das versuchen.

Wenn das Reinkommen in einen Club dann allgemein heute so eine große Bedeutung bekommen hat, ist dann Türsteher sein mittlerweile ein gesellschaftlich hoch angesehener Beruf?
Offensichtlich schon, du bist ja nicht der erste Journalist, der mich interviewt. Ich hab bestimmt schon 100 Interviews gegeben. Smiley [eine weitere Türsteherlegende Berlins], Sven Marquardt und ich sind, glaube ich, gleichermaßen die Speerspitze des Türstehertums. Wir haben das immer auch an exponierten Stellen gemacht, wo der Laden auch immer interessant war. Du kannst ja auch einen coolen Typen vor einen scheiß Laden stellen, nur das ändert dann halt auch nichts.

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