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Wie der charakteristische Drop von Flume zum wohl nervigsten Trend auf SoundCloud wurde

Was passiert, wenn ein musikalischer Griff so gut, aber einfach zu reproduzieren ist, dass alle Welt anfängt, ihn nachzumachen. Leider.
Photo of Flume by Cybele Malinowski.

Foto von Flume: Cybele Malinowski. Dieser Artikel ist zuerst bei THUMP US erschienen

Es war nicht von Beginn an klar, aber Flume hat eine Formel. Als 2012 sein selbstbetiteltes Album erschien, war der gebürtige Australier Harley Streten bereits als Produzent mit kraftvoller Kontrolle über präzise Bassdrums und schwungvolle Vocal-Samples bekannt und für Achterbahn-Dynamiken verantwortlich. Es gab eine Menge junger Bass-Produzenten, die auf ähnliche Weise arbeiteten, doch der schwindelerregende Bombast von Stretens frühen Arbeiten funktionierte wie Lachgas – er war in der Lage, dich in kichernde Höhen zu versetzen oder als Raketentreibstoff zu funktionieren, je nachdem, in welchem Kontext er konsumiert wurde.

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Als ich ihn im New Yorker Terminal 5 endlich live sah – wo ich Bros ausweichen musste, die ihre Freundinnen auf den Schultern trugen, und ein paar 13-Dollar-Drinks schlürfte – wurde mir allerdings klar, dass sein Erfolg auf einem Rezept beruht. Zu dieser Zeit zeigte er in einigen viel beachteten Remixen, wie der 2013er-Überarbeitung von Disclosures "You and Me", dass viele seiner Produktionen mit demselben schwindelerregenden Drop beginnen – mit durchdringenden Stößen stotternder Synthesizer und drückender Sidechain-Compression. Wie bei einem Uhrwerk passiert dies in fast allen seiner bekannten Songs in Richtung Höhepunkt. In seiner frühesten Form kannst du dies in Flumes Remix von Lordes "Tennis Court" hören, wenn sich die Klänge nach einem langsamen Aufbau komprimierter Synthesizer-Wellen in kraftvolle Halftime-Drops auflösen, durchsetzt mit kurzen Gesangsschnipseln, die in kurzer Abfolge eingestreut werden.

Schnell wurde klar, dass der Sound nicht nur beliebt war, sondern auch einfach zu reproduzieren ist.

In den nachfolgenden Jahren brachte Streten es sogar zu noch mehr weltweitem Erfolg. Dazu verhalfen ihm weitere lebhafte Überarbeitungen und ein zweites Album im Jahr 2016, das internationale Hits zu bieten hatte. Irgendwann wurde der Sound so identifizierbar, dass er seinen eigenen Namen benötigte. Flume entwickelte den Stil seines Debütalbums – Wellen bombastischer Synthesizer, die wie orkanartige Stürme klingen, die draußen an dein Fenster wehen – zu einem charakteristischen Rahmen, den manche als "Flume Synth Drop" oder "Flume Drop" bezeichnen.

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Dieser Stil ist mit konkretem Vokabular recht schwer zu beschreiben und diejenigen, die sich an einer Beschreibung versuchen, machen dies oft auf phonetische Art. "Wenn ich an den 'Flume-Sound' denke, dann kann ich ihn nur mit verschiedenen riesigen VVWWUUUM-Klängen beschreiben, die ein paar Akkorde lang zu hören sind, oft mit ein paar gigantischen Hupenklängen oder einem kräftigen aber unregelmäßigen THOOM durchsetzt", so Kitty, eine Electro-Produzentin und -Songwriterin aus New York City. "Ich liebe es, verdammt nochmal", gibt sie zu. "Ich habe die Schnauze voll davon, aber ich finde, dass es objektiv gesehen super ist."

Es ist in der elektronischen Musik sicherlich nicht ungewöhnlich, dass ein Produzent einen Stil findet, den die Leute mögen, und dabei bleibt. Es ist auch nicht ungewöhnlich, dass andere Leute sich diesem Stil zu ihrem Vorteil annehmen. Der Snare-Sound von Eric Prydz wurde zum Beispiel als "Pryda Snare" bekannt und ist seither Thema von unzähligen YouTube-Tutorials und anderen Formen der Auseinandersetzung mit Ableton. Genau wie die von Prydz hat auch die einzigartige Produktionsweise von Flume ihren eigenen Thread bei Reddit und ist Gegenstand dutzender YouTube-Tutorials, die einen effektiven Flume-Nachahmer aus dir machen. Falls du zwölf Minuten Zeit hast, kannst du sogar lernen, wie du den einzigartigen Drop aus seiner festivalfreundlichen Überarbeitung von Lorde kopierst.

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Ein Online-Tutorial für Ableton, um den perfekten Flume-Sound zu kreieren. Screenshot von YouTube aus dem Video "Flume Synth Tennis Court - Massive Sound Design Tutorial Lorde" von Production Music Live

Aber was genau mögen die Leute überhaupt daran, abgesehen von der Tatsache, dass es Flume und seinen Anhängern offensichtlich Erfolg beschert?

Es ist eine Frage im Innersten aller Populärmusik: Was geht in den Leuten vor? "Ich persönlich denke, dass es so beliebt ist, weil es so befriedigend ist, es zu hören", sagt Kitty. "Gute EDM-Songs sind um den Drop aufgebaut; die einfachste Freude daran entsteht durch die Befriedigung, etwas so stark anwachsen zu hören, wie es nur möglich ist, und zu fühlen, wie es explodiert."

Damit bezieht sie sich auf etwas, das seit langer Zeit für viele attraktiv ist, die Gefallen an den markerschütternden Festival-Drops finden oder diese produzieren. Doch anders als die ungestümen, fiesen EDM-Drops, die in den letzten zehn Jahren von Leuten wie Afrojack und Skrillex verwendet wurden, kombinieren Flumes Drops die strukturelle Formel eines EDM-Drops mit etwas, das sanfter einschlägt und versöhnlicher ist. Geh zu einer Show von Flume und du wirst sehen, wie Leute ihre Körper wiegen, wenn der Höhepunkt erreicht ist, und nicht wütend mit ihren Fäusten schlagen wie für gewöhnlich bei einer Großraum-Hymne. "Vor der Flume-Renaissance begleitete fast jeder seine kulminierenden Momente mit tiefen Bassklängen und gut getimten Drums", so Kitty. "Flume hat einen multidimensionaleren Ansatz an den Drop gefunden, oder diesen zumindest bekannter gemacht, indem er negativen Raum nutzt, um seine riesigen Synthesizer rhythmisch krachen zu lassen."

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Zu noch größerer Popularität verhalf diesem Sound ein legendärer, amerikanischer Snack: M&Ms. Vorhang auf für "Candyman", die Kollaboration zwischen EDM-Sympathieträger Zedd und Aloe Blacc, die 2016 in einem Werbespot für die Süßigkeiten-Institution zu hören war. Die neue Drop-Struktur, die anders war als die des Großraum-Electros der meisten vorherige Arbeiten von Zedd, führte zu naheliegenden Vergleichen mit Flumes Arbeiten. Diplo kritisierte Zedd sogar öffentlich dafür, dass er einen "falschen Flume-Drop" erschaffen habe.

Die Gemeinsamkeiten sind sogar noch verblüffender, wenn man Stretens eigene Flirts mit der Welt der Werbung bedenkt. Ein paar Jahre zuvor kollaborierte Flume für einen kurzen TV-Spot mit dem Computergiganten Intel. Darin waren sowohl seine maßgefertigte Bühnenapparatur als auch seine donnernden, strahlenden Akkorde zu sehen bzw. zu hören. Der Einsatz melodischer, harmloser elektronischer Musik in der Werbung erinnert an GAPs berüchtigte Verwendung von Daft Punks "Digital Love" im Jahr 2001. Auch wenn die Songs sehr unterschiedlich sind, fügen sich beide in einen langen Trend von Firmen ein, die muntere, sensible Tracks nutzen, um den Plastik-Schein vom Mainstream-Einzelhandelsmilieu anzusprechen. Der Sound von Flume machte sich eine extrem seltene Kraft zu eigen – die Werbetreibenden fanden es kommerziell brauchbar genug für ein breites demografisches Spektrum, zu dem sowohl trendige Clubkids gehören als auch Hausfrauen, die tagsüber fernsehen.

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Und so war dieser Sound schon bald unausweichlich. Nicht nur in die Werbung, auch in die höchsten Ebenen der Mainstream-Musik fand er Einzug. So zum Beispiel in "Here Comes The Night" des Pariser Künstlers DJ Snake von seinem Debütalbum Encore. Um die 90-Sekunden-Marke ist der Song um einen stotternden Flume-Drop herum aufgebaut – heitere, abgehackte Synthies und hochgepitchte Vocals sowie scharfe Basswellen. Nicht zu vergessen auch The Chainsmokers, die derzeitigen Vordenker, was das Erschaffen trendiger Chartstürmer angeht. Ihr 2016er-Hit "Roses" nutzte eine ähnliche klangliche Bearbeitung und synkopierte Synths. Wie ihr massiver Hit "Closer", der sich sage und schreibe 14 Wochen auf Platz Eins der Billboard Hot 100 hielt, nahm sich "Roses" dem Sound an und stürmte ebenfalls an die Spitze der Billboard-Dance-Charts ("Roses" schaffte es immerhin auf einen respektablen Platz 25 der Pop-Charts).

Auch andere, nicht so beachtete Produzenten versuchten ihr Glück, den Stil zu reproduzieren. Vielleicht in der Hoffnung, dass es ihnen auf der Leiter des Erfolgs nach oben verhilft. Dazu gehört auch Vincent, der Emporkömmling aus L.A. – sein Track "Her" nutzt melodische Trap-Snares und regelmäßig wiederkehrende chorale Gesänge, um die Flume-isierung der diversen Peaks des Songs einzuleiten. Im Sommer 2016 ging das Duo Party Pupils aus L.A. mit einer neuen Version von Outkasts bahnbrechendem "Ms. Jackson" an den Start, das randvoll mit denselben abgehackten Synthie-Mustern ist. Es ist ein weiteres erstklassiges Beispiel dafür, wie erfolgreich SoundCloud-Produzenten sind, wenn sie ihren Sound ein wenig an die Vorlieben anpassen. Der Track von Party Pupils erreichte in zwei Wochen über 400.000 Plays und hat mittlerweile die Eine-Million-Marke erreicht.

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Das aufstrebende Chicagoer Duo Louis the Child hatte 2016 mit einer Kollaboration mit K.Flay namens "It's Strange" seinen Durchbruch. Der Track, der öffentlichkeitswirksam von Taylor Swift abgesegnet wurde, bedient sich sicherlich einigen klanglichen Motiven des besagten Australiers. Ein Kommentator fand sogar, dass er nicht nur so klingt wie Flume, sondern besser sei als Flume. Ich persönlich denke, dass es schwer wäre, mit verbundenen Augen einen Unterschied zu hören. Doch ob die Leute nun in der Lage sind, den von ihm populär gemachten Sound nachzuahmen oder nicht, dass er in so vielen dieser Tracks hintereinander Verwendung findet, kann ein wenig ermüdend sein. Da ihre Systeme zur Dopaminlieferung alle nach demselben Muster funktionieren, wirkt es zuweilen wie Routine, wenn derselbe Sound immer und immer wieder zu finden ist – eine obligatorische Produktionseigenart, ähnlich dem gigantischen Dubstep-Drop. Der neueste raffinierte Trick des EDM wird erneut zu einer Demonstration der Gesetze des abnehmenden Ertrags.

"Das passiert; so ist das Leben", sagt die australische Produzentin und DJ Nina Las Vegas, als ich sie zu der internationalen Vereinnahmung von Flumes Stil befrage. Vegas moderiert seit elf Jahren eine Sendung auf dem beliebten australischen Radiosender Triple J und hat aus erster Hand gesehen, wie sich der Stil entwickelte. Sie zählt Flume zu ihren engen Freunden. Sie verfolgt schon lange die heißesten Trends der Dance-Musik und scheint zuzustimmen, dass es zu viel Verwendung findet. "Gute Adaptionen sind meiner Meinung nach willkommen. Die schlechten sind offensichtlich und diese Acts werden nicht überleben", sagt sie. "Du kannst eine Formel nur eine bestimmte Zeit kopieren."

Streten scheint den Sound, den er vorangebracht hat, währenddessen weiterzuentwickeln. Hör dir sein 2016er-Album Skin an und dir wird auffallen, dass er sich von den krachenden Drops zu etwas hinbewegt hat, das sich mehr um konventionelle Songstrukturen und poppigere Melodien dreht – vielleicht ein Zug im Hinblick auf den Charterfolg, den andere in seinem Fahrwasser hatten. Es gibt Gerüchte um neue Musik von Flume, also wird die Zeit zeigen, ob der Australier den Weg für einen neuen Sound ebnet, der die vielen Ecken von SoundCloud im Sturm erobern wird.

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