Wie diese vier Berliner ein Festival im brasilianischen Dschungel planen

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Wie diese vier Berliner ein Festival im brasilianischen Dschungel planen

Das O MATO Festival soll im nördlichen Teil des Amazonasgebietes stattfinden. Wir haben uns mit den Veranstaltern unterhalten.

Tiefblaues, fast schwarzes Wasser umschließt eine grüne Halbinsel, auf der eine Rundhütte steht. Am Ufer liegen zwei Schiffe an. Neben den Bäumen und Sträuchern ist ein weiteres Häuschen zu erkennen – ohne das könnte man meinen, niemand wäre hier je gewesen. So sehen die Drohnenaufnahmen von Cheiro do Mato – auf Deutsch "Duft des Waldes" aus, das sich vom 4. bis 14. September zu einem nachhaltigen Festival-Camp namens O MATO verwandeln soll, auf dem auch die Zenker Brüder spielen. Auf die Idee kamen zwei Freunde. Jonas Köksal und Eneko Börg kennen sich seit zwei Jahren. Beide sind Anfang 20 und in Bayern aufgewachsen, doch Freunde wurden sie erst in Berlin. In München organisierte Jonas vor ein paar Jahren noch illegale Partys, die immer größer wurden, sodass sie auf Privatgrundstücke auswichen. Zum Studium kam er nach Berlin, traf Eneko, der einen Traum hatte: ein Festival im Regenwald, und zwar genau dort, wo er seine Sommer verbracht hat: im nördlichen Teil des Amazonasgebietes in Brasilien. Ob das klappen kann, ein 10-tägiges Festival weit abgeschieden von der nächsten Stadt – zwischen Rio Apuau und Nationalpark – zu organisieren? Wir haben mit den Gründerinnen Eneko, Julia und Jonas von O MATO-Experience gesprochen – per Skype. Denn ein Teil der Crew ist vor ein paar Tagen schon auf dem südamerikanischen Kontinent, 14 Flugstunden von Berlin entfernt, gelandet.

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Skype-Bild: links Eneko und Julia in Sao Paulo – rechts unsere Autorin Natalie und Jonas in Berlin

THUMP: Eure Geschichte beginnt mit: Treffen sich zwei Jungs aus München in Berlin und machen ein Festival?
Eneko: Fast, die Idee gibt es schon, seitdem ich 18 bin. Mein Vater ist nach Manaus ausgewandert und ich war oft bei ihm im Amazonas und dachte, wie chillig eine Party im Dschungel zusammen mit all meinen Freunden wäre! Ich war naiv und plante, für Freunde ein Festival zu organisieren. Doch die Kalkulation ging nicht auf. Nachdem ich ein halbes Jahr durch Südamerika gereist bin und zum Studium nach Berlin zog, kam mir der Gedanke wieder. Dort habe ich über Freunde Jonas kennengelernt. Und dann wurde es Ernst. Warum macht man ein Festival im Dschungel?
Jonas: Ich wollte etwas mit Perspektive machen und das Ziel von O MATO ist es, langfristig einen Ort zu schaffen. So ist daraus mein Bachelorprojekt geworden. Es ist verrückt und riskant, aber wenn es klappt, dann geht ein Traum in Erfüllung. Und es ist der Wahnsinn auf dem Schiff in Hängematten zu schlafen und mittags ins Wasser zu springen.

Gibt es keine Krokodile?
Eneko: Es gibt im Amazonasgebiet Kaimane und Anakondas, doch die sind so scheu, dass man sich nachts auf die Suche nach ihnen begeben muss, wenn man wirklich welche sehen möchte. In diesem Teil des Amazonasbeckens, dem Rio Negro, in dem wir sind, kannst du ohne Bedenken ins Wasser springen und schwimmen.

Jonas: Auch, dass es von Moskitos wimmelt, ist ein Klischee. Durch das überdurchschnittlich saure Wasser, sind entlang des gesamten Rio Negro keine Moskitos zu finden.

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Der Rio Negro

Das heißt, ihr wart beide schon vor Ort?
Jonas: Als die Idee entstanden ist, haben wir uns kollektiv einen Flug gebucht und waren zwei Wochen im brasilianischen Regenwald. Daher kommt auch der visuelle Input. Das Gelände liegt am Rio Negro, einem Schwarzwasser – Fluss. Die Region, die das Festival umgibt, ist der Anavilhanas Nationalpark – sieben Stunden mit dem Schiff von Manaus entfernt.

Neben der Natur, was erwartet einen musikalisch bei euch?
Jonas: Techno, House, Disco, Funk und Hip Hop. Es gibt ein großes Line-up. Die erste Runde haben wir schon bekanntgegeben. Headliner sind unter anderem die Zenker Brothers und Annanan … und es kommen noch DJs aus Brasilien, Südamerika, USA, Deutschland und anderen Regionen dazu.

Der Amazonas-Urwald ist von der Abholzung bedroht. Techno-Festival und Regenwald. Kann das klappen?
Jonas: Wir hoffen, dass Gäste ein Bewusstsein für Natur haben und wir werden es auf eine Maximalkapazität von 150 Leuten begrenzen.

Eneko: Außerdem bieten wir Touren an, um die lokale Kultur kennenzulernen und genau dieses ökologische Bewusstsein anzuregen. Durch Workshops wollen wir den Leuten klarmachen, wo sie sind und welche Geheimnisse in dieser unerforschten Welt stecken. Von Naturheilkunde bis zum Survival-Training ist alles möglich. Es ist uns wichtig, dass es kein reines Festival ist.

Wenn es kein Festival ist, was ist es dann?
Jonas: Ein Erlebnis, weil es viel mehr einschließt als nur zu lauter Musik zu tanzen.

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Eneko: Ein Teil ist Musik, der andere durch die außergewöhnliche Natur des Urwalds zu fahren, zu gehen und auf einzigartige Weise erleben zu können. Es ist also vielmehr ein gemeinschaftlicher Urlaub, in den ein Festival integriert wird. Was gibt es sonst noch zu erleben?
Jonas: Neben mehrtägigen Wasserfalltouren oder Nachtsafaris kann man die von nordamerikanischen Ureinwohnern und Europäern abstammenden Caboclos, die Flussbewohner des Amazonas, in ihren Siedlungen besuchen, ihre Kunsthandwerk bewundern oder bei gemeinsamen Fuß- und Volleyballturnieren teilnehmen. Außerdem verleihen wir Kanus, Angelausstattung oder Wakeboards.

Die einheimische Bevölkerung, genannt Caboclos, Foto: Eneas Bohatsch

In eurem Konzept bindet ihr Anwohner und Locals ein. Warum macht ihr das?
Jonas: Kultureller Austausch ist uns wichtig und dass dadurch etwas Neues entsteht – musikalisch wie sozial. Wir schaffen Möglichkeiten, die Leute vor Ort einzubeziehen, indem wir sie bei den Führungen, Workshops oder der Versorgung einbinden. Es soll kein Festival sein, bei dem sich Leute zuballern. Es ist so schön dort, dass man eigentlich nicht mal Headliner bräuchte.

Eneko: Die Anwohner kennen die Region am besten und wir wollen, dass sie nachhaltig auch etwas davon haben. Durch die langfristige Auslegung des Projektes wollen wir über O MATO hinaus Arbeitsplätze schaffen und gleichzeitig die Region selbst für Reisende attraktiver machen. Dann basiert viel bei euch auf Vertrauen?
Jonas: Mitten im Amazonas müssen wir uns vertrauen. Nicht nur, weil das nächste Dorf mit Supermarkt und Krankenhaus eine Stunde mit dem Schiff entfernt ist. Wie viele Leute arbeiten mit?
Eneko: Im Kern sind wir vier. Nach Jonas kam Ben dazu, der mit an der Gesamtgestaltung und dem Booking arbeitet. Danach kam Julian dazu, der sich um Buchhaltung und Finanzen kümmert und Resident bei unseren Partys ist.

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Jonas: Julia ist seit Anfang des Jahres unsere Projektmanagerin. Spätestens im August kommen Ben und ich auch nach Brasilien.


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Was wollt ihr mit O MATO erreichen?
Eneko: Wir wollen ein Paralleluniversum schaffen. Einen Ort für Alternativreisende, eine Utopie mit Solarenergie und eigenem Gemüsegarten. Im besten Fall das ganze Jahr über geöffnet.

Jonas: Einen Ort, an dem man frei sein kann – von Gesellschaft und Stress.

Wie ist bisher euer Feedback?
Eneko: Die Einheimischen finden es fast schon zu geil, doch sie können es sich nicht richtig vorstellen. Manche machen sich vielleicht auch falsche Hoffnungen, denn die Region ist nach dem Kautschukboom Anfang des 20. Jahrhunderts ökonomisch in der Entwicklung stehen geblieben und heute eine der ärmsten in Brasilien. Und wie sieht es mit der brasilianischen Clubszene aus?
Jonas: Die Promoter aus Brasilien finden es cool, dass Leute aus Europa etwas machen wollen und unterstützen uns. Einer dieser Promoter gehört eigentlich schon so gut wie zum Team.

Eneko: Vor Ort ist alles sehr sehr spontan, es geht vor allem darum, Kontakte zu knüpfen, die aus dem Süden Brasiliens kommen. Momentan promoten wir vermehrt im südamerikanischen Raum, weil wir gerne ein gemischtes Publikum möchten. Deshalb sind wir jetzt auch schon vor Ort.

Euer Crowdfunding hatte nicht geklappt, warum macht ihr trotzdem weiter?
Jonas: Für mich war klar, ich will dort hin. Doch die Hemmschwelle bei einem Festival mitzumachen, dass so weit weg stattfindet, war für Deutsche zu groß und wir zu unbekannt.

Eneko: Doch wir haben schon immer gesagt, wir machen das – egal ob es ein Sommercamp mit vierzig oder mit 150 Leuten wird. Wie O MATO klingt, erfahrt ihr auf Soundcloud oder Facebook. Die Tickets liegen mit Anreise von Manaus inklusive Schifffahrt preislich zwischen 185 und 550 US-Dollar – je nachdem wie lange man bleibt. Für Südamerikaner kosten die Karten zwischen 130 und 358 US-Dollar. Die Tickets beinhalten neben 10 Tagen Festivalprogramm: Transportkosten, Unterkunft, drei Essen am Tag inklusive Trinkwasser sowie einige der Workshops und Ausflüge. Dann fehlt eigentlich nur noch der Flug. Das Programm findet ihr übrigens hier. Mittlerweile organisiert die Crew Touren in Brasilien für DJs aus Berlin. Erste OMATO-Partys fanden in Berlin, München und Kapstadt statt, um das Festival zu mitzufinanzieren und am 26. Mai sind sie auch in Stuttgart.

Weitere Infos findet ihr hier:
http://www.o-mato.com
https://www.residentadvisor.net/event.aspx?966984

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