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Clubkultur

Wie Frauen soziale Medien nutzen, um auf Vergewaltigungen in Clubs aufmerksam zu machen

Ende Juli schrieben zwei junge Frauen darüber, wie sie in beliebten New Yorker Clubs angegriffen worden waren. Das, was bisher passiert ist, weißt aber darauf hin, dass die sozialen Netzwerke ihre Grenzen haben.
Jenny Yuen

Illustration von Jenny Yuen

Ende Juli haben zwei Frauen bei Facebook darüber gesprochen, wie sie in beliebten Clubs in New York angegriffen wurden. Pepper Ellett und Mary*, 25 und 30 Jahre alt, haben sich noch nie getroffen, aber ihre Geschichten gleichen sich auf traurige Weise. Beide Posts gingen viral, trotzdem deutet das Resultat ihrer öffentlichen Aussprache auf Facebook an, dass es für soziale Medien als Plattform sozialer Gerechtigkeit Grenzen gibt.

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In ihrem Post beschreibt Mary, wie sie von einem Ex-Freund im Bossa Nova Civic Club angegriffen wurde—einem beliebtem Treffpunkt von Brooklyns Underground-Electro-Szene. Auf der anderen Seite des East River, behauptet Pepper, von einem damaligen Angestellten des Happy Ending auf der Toilette vergewaltigt worden zu sein, einem ehemaligen Massage-Salon, der mittlerweile ein Szene-Club und Restaurant in der Lower East Side ist.

Indem sie ihre Anschuldigungen nicht im Schleier von Strobo und Nebelmaschine verschwinden ließen, haben Pepper und Mary eine neue Debatte angestoßen. Diese Vorfälle, die sich den Berichten zufolge in den nächtlichen Zufluchtsorten der New Yorker Musik- und Kunstszene ereignet haben, warfen aber auch für das Nachtleben spezifische Fragen auf: zum Beispiel wie die Szene auf die Anschuldigungen von Missbrauch reagieren soll und bis zu welchen Grad die Bars und Clubs mit in der Verantwortung stehen.

Mary veröffentlichte ihren Facebook-Post am Montag, den 27. Juli. Am Abend vorher hatte das New York Magazine eine Coverstory über die vielen Frauen gebracht, die Bill Cosby sexuellen Missbrauch vorwerfen, und diesen Artikel nannte sie als Ansporn, ihre eigene Geschichte zu veröffentlichen. Marys Wut ist vorm ersten Satz an spürbar: „Scheiß auf jeden einzelnen von euch, der ihn weiter unterstützt oder ihm Schutz bietet. Ich habe genug davon, mich vor ihm und seinen scheiß Unterstützern zu verstecken."

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In einem öffentlich zugänglichen Google Doc, das mit dem Facebook-Post verknüpft war, behauptet Mary, dass sie während ihrer einjährigen Beziehung von einem Musiker aus Brooklyn namens Frank Midnite missbraucht wurde (der Vollständigkeit halber: ich habe bei mehreren Musik-Events mit Frank abgehangen und würde ihn als Bekannten bezeichnen). Laut eigener Aussage wurde Mary in einer Septembernacht 2014 von Frank im Bossa Nova angegriffen, gegen einen Baum außerhalb der Bar gedrückt und wiederholt geschlagen und gekratzt. „Ich musste mir wochenlang Ausreden darüber einfallen lassen, was mir passiert war", schreibt sie. „Bei einer Gelegenheit hat er mir Salbe gegen blaue Flecken mitgebracht, sie auf meinen Körper geschmiert und damit versucht, die Beweise für seine Tat ‚auszuradieren'." Fotos von ihren Verletzungen gibt es auch, obwohl unklar ist, wann sie aufgenommen wurden. (Frank hat sich geweigert, mit THUMP zu sprechen.)

Fotos von Marys Verletzungen, die sie in das öffentliche Google Doc stellte

Nicht einmal acht Stunden später hat der Club Bossa Nova auf seiner Facebook-Seite eine Stellungnahme veröffentlicht: Frank hat Hausverbot bekommen, bis „eindeutige, unwiderlegbare Beweise" auftauchen, die die Anschuldigungen widerlegen. Weibliche Größen der Electro-Szene wie Frankie Hutchinson, Mitbegründerin des feministischen Techno-Kollektivs Discwoman, haben diesen Schritt befürwortet. „Ich bin sehr erleichtert, dass unser Lieblingsclub die Sicherheit von Frauen so ernst nimmt—eine erfrischende Veränderung. Ich finde, dass es viel wichtiger ist, die Sicherheit einer Frau zu gewährleisten, als zu warten und zu schauen, ob jemand schuldig ist oder nicht", schrieb Hutchinson in einem Kommentar.

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Andere kritisierten die Schuldvermutung des Clubs, wobei sich manche Frauen gefragt haben, ob das Verbot auch für andere Männer gelten würde, die der Gewalt beschuldigt wurden. Laut Eigentümer John Barclay lautet die einfache Antwort „Ja". „Auch wenn wir keine Privatdetektive sind, aber wenn irgendjemand uns auf derartig widerwärtiges Verhalten aufmerksam macht und es den Tatsachen zu entsprechen scheint, dann bekommt die Person Hausverbot", sagte er gegenüber THUMP. „Wir gehen da lieber auf Nummer sicher."

Am nächsten Tag hat Frank den Anschuldigungen über Facebook widersprochen und sie als „übertrieben … bis hin zur Lüge" bezeichnet. Aber sein Ruf war schon geschädigt. In den Kommentaren zu einem Artikel über ihn im New York-Magazine, bei seinen Tracks auf YouTube und auf der Facebook-Seite von Bright Future Sounds, einem von Franks Musikprojekten, wurde er als Vergewaltiger bezeichnet. Ein Videointerview mit ihm bei YouTube wurde offline genommen. Es wurden Social-Media-Profile unter seinem Namen erstellt—in der Biografie zum Twitter-Account @frankmidnite heißt es nur: „Ich schlage Frauen". Ein Profilbild auf seiner öffentlichen Seite wurde zu einer Abwandlung des bekannten Memes geändert: „Keep Calm Because I'm Innocent."

In den Wochen nach Marys Post haben viele Mitglieder der Musikszene ihre Meinung zu dem Thema in den sozialen Medien geteilt. Der New Yorker DJ, Produzent und Creative Director @LILINTERNET (der mit Skrillex, Diplo, Beynocé und anderen zusammengearbeitet hat) hat auf seiner Facebook-Seite geschrieben: „ÜBER DEN MISSBRAUCHSSKANDAL, DER FACEBOOK IM STURM EROBERT: ICH KENNE [FRANK] NICHT. ER SCHEINT AUS MEINER SICHT ALS HOBBYPSYCHOLOGE EIN SOZIOPATH ZU SEIN." Bezüglich des Wahrheitsgehalts von Franks Abstreiten hat @LILINTERNET hinzugefügt: „WENN DU RATIONAL DARÜBER NACHDENKST, DANN GIBT ES EINE 0,1%IGE CHANCE, DASS DIESER TYP DIE WAHRHEIT SAGT. [sic]"

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In Starwave, einer bekannten Facebook-Gruppe für weibliche Musikerinnen und Künstlerinnen wurde das Google Doc zwei Mal von verschiedenen Mitgliedern gepostet. Eine sagt, dass sie Frank kennt, seit sie 17 ist und dass „jeder darüber Bescheid wissen und seine Freunde schützen soll". Zwei andere Frauen haben angemerkt, dass Frank sich bei ihnen gemeldet hätte. Eine sagt, dass er sich mit ihr während ihres Aufenthalts in New York treffen wollte. „ICH BIN SO FROH, DASS ICH DAS NICHT GEMACHT HABE", schrieb sie.

VICE: Mein Ex-Freund, der Vergewaltiger

Nach dem Bekanntwerden dieser Anschuldigungen hat Frank auch an anderen Orten in Bushwick Hausverbot bekommen. Partyveranstalterin Darcey Leonard bestätigte gegenüber THUMP, dass House of Screwball, eine Produktionsfirma, die sie mitbetreibt, ihm für ihre Circus of Dreams-Partys in der Bizarre Bar Hauverbot erteilt hat, wie auch die Tarot Society Gallery und den Reading Room. „Das Verbot ist dauerhaft", so Leonard.

Der DJ Lolo Haha ermutigte zehn weitere bekannte Promoter und Musiker dazu, Frank nicht mehr zu buchen oder auf ihre Partys zu lassen, bis er nicht einen „Prozess der Rechenschaft" begonnen hat, um sich ihr Vertrauen zurückzugewinnen. Lolo Haha sagte gegenüber THUMP, dass er hofft, dass dieser Prozess dabei helfen wird, dass seine Szene sich von den kontroversen Auswirkungen dieses Vorfalls erholen wird. „Die Realität sieht so aus, dass diese Person nicht die einzige ist, die sich des sexuellen Missbrauchs schuldig macht. Das passiert im ganzen Land." Dazu befragt, warum die Ausgrenzung von Frank ein notwendiger Schritt in Richtung Rechenschaft sei, machte Lolo Haha eine Pause. „Ich bin sehr schnell darauf angesprungen, um eine Reaktion herbeizuführen."

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Bevor sie ihren Facebook-Post veröffentlichte, hatte Mary das Google Doc schon sieben Monate lang in Umlauf gebracht—es an Frauen geschickt, die mit Frank zu tun hatten, es bei Tumblr gepostet und in Facebook-Kommentaren. So hat sie auch von Susan und Kat erfahren, zwei weiteren Frauen, die Vorwürfe gegen Frank erheben. Die Nachrichten zwischen den Frauen sind dem Google Doc als verstörender Annex angehängt.

THUMP hat sich mit Susan und Kat in Verbindung gesetzt, die ihre Textnachrichten weiter ausführten. Susan sagte, dass sie 2010 in der Wohnung eines gemeinsamen Freundes in Santa Cruz aufgewacht war, weil Frank sie angefasst und sich an ihr gerieben hatte. Obwohl sie dagegen protestierte, hörte er nicht auf, woraufhin sie letztendlich den Entschluss fasste, betrunken nach Hause zu fahren.

Kat behauptet, dass sie Frank im Januar 2015 zuhause besuchte, als sie einen Cocktail aus LSD, Kokain und „genug Alkohol, um ein junges Pferd umzuhauen" intus hatte. „Er schlug vor, dass ich zu ihm komme, um mich aufzuwärmen und etwas auszunüchtern, bevor ich zu meinem eigentlichen Schlafplatz weitergehe", so Kat gegenüber THUMP. „Er brachte mich rein und und versorgte mich ordentlich mit Gras, damit ich mich ‚entspannen' kann. Bevor ich mich versah, hatte er meinen Rock hochgeschoben, ein Loch in meine Strumpfhose gerissen und angefangen, mit mir Sex zu haben. Ich habe mich gewehrt, so gut ich konnte, war zu dem Zeitpunkt aber weitestgehend nicht mehr in der Lage, mich zu bewegen. Ich hätte nie mit ihm Sex gehabt, wenn ich nüchtern gewesen wäre."

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Ich war vorher schon einmal wegen einer Vergewaltigung dort und obwohl ich alles ‚richtig' gemacht hatte. Das einzige, was die Polizei unternommen hat: Sie haben mich das Trauma noch einmal durchleben lassen. Warum sollte ich es also unter so ‚skandalösen' Umständen noch einmal versuchen?

Auf die Frage, ob sie zur Polizei gegangen ist, antwortete Kat: „Scheiße, Nein. Ich war vorher schon einmal wegen einer Vergewaltigung dort und obwohl ich alles ‚richtig' gemacht hatte, war das einzige, was die Polizei unternommen hat, mich das Trauma noch einmal durchleben zu lassen.Warum sollte ich es also unter so ‚skandalösen' Umständen noch einmal versuchen?"

Kats Zurückhaltung ist nichts Ungewöhnliches. Laut RAINN (Rape, Abuse and Incest National Network) werden nur 32 Prozent aller Vergewaltigungen bei der Polizei gemeldet und machen die Straftat damit zu einem der am seltensten gemeldeten Verbrechen überhaupt. Immerhin deutet ein New York Times-Artikel von Juni an, dass sich immer mehr Opfer zu Wort melden, da das soziale Stigma abnimmt. In diesem Jahr ist die Zahl der gemeldeten Vergewaltigungen in New York um acht Prozent gestiegen und die der gemeldeten sexuellen Übergriffe um 18 Prozent. Liz Roberts, stellvertretende Vorsitzende von Safe Horizon, der größten Anlaufstelle für Opfer in der Stadt, sagte gegenüber der Times jedoch, dass sie „keinen Grund hat, zu glauben, dass es mehr sexuelle Übergriffe gab als letztes Jahr zu dieser Zeit", da die Anzahl der eingehenden Anrufe bei ihrer Hotline gleichgeblieben sei. Zusätzlich haben sich in Gegenden mit hoher Kriminalitätsrate wie Brownsville die angezeigten Vergewaltigungen fast verdoppelt, obwohl die Mordrate und Waffengewalt abgenommen hatte. Laut der Times weist das darauf hin, dass die Bemühungen von Beratungsgruppen, Krisenzentren und Universitäten die Kultur des Schweigens verändern.

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Aus dem VICE-Netzwerk: Broadly bei den jungen Boxerinnen Kenias

Mehr Frauen zu helfen—das Schweigen zu brechen—ist genau das, was die 25-jährige Pepper Ellet dazu motiviert hat, am Freitag, den 31. Juli ihren Facebook-Post zu veröffentlichen—fünf Tage nach dem von Mary. „Ich hätte anderen Frauen keinen Gefallen getan, wenn ich den Mund gehalten hätte", schrieb Pepper. „Sich nicht zu diesem Thema zu äußern ist … was die Mehrheit der Leute glauben lässt, dass dies abstrakte Einzelfälle sind und keine Epidemie, an der wir alle teilhaben und von der wir jeden Tag unseres Lebens betroffen sind."

Während Mary den Namen ihres mutmaßlichen Missbrauchstäters genannt hat, wie auch seine vielen verschiedenen Künstlernamen und selbst einen Freund, mit dem er zusammenarbeitet, konnte Pepper den Mann den sie beschuldigt, sie auf der Toilette des Happy Ending vergewaltigt zu haben, nicht beim Namen nennen. Pepper sagte THUMP gegenüber am Telefon, dass sie glaubt, unter Drogen gesetzt worden zu sein. Alles, woran sie sich erinnert, ist, dass „ich meine Hose unten hatte, am Pinkeln war und merkte, dass jemand mit mir auf der Toilette war. Er sagte mir, dass ich ihm einen blasen soll, und ich habe mich geweigert. Ich erinnere mich daran, dass ich das Gefühl hatte, gegen meinen Willen festgehalten zu werden, dann fiel ich in Ohnmacht." Sie fand erst später den Namen des Angestellten heraus, als ihr Vater beim Club anrief und Miteigentümer Oliver Stumm (der Teil eines DJ-Duos ist und das Label A Touch of Class betreibt) ihm sagte, dass die Person sofort gefeuert wurde, nachdem die Geschäftsführung die Aufnahmen der Überwachungskamera gesichtet hatte. (Stumm selbst hat auf unsere Anfrage dazu nicht reagiert.)

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„Du weißt schon, dass Sex, den man bereut, keine Vergewaltigung ist."

Pepper hat ihren Post genutzt, um über bisher in weiten Teilen Unbekannte Ressourcen zu informieren, die Opfer sexueller Übergriffe im Staat New York nutzen können—inklusive medizinischer Kosten, die vom Staat übernommen werden. Sie beschreibt auch die Qual, eine Vergewaltigung zu melden. Laut dem eben genannten Artikel der New York Times hat das NYPD vor Kurzem versucht, den Prozess zu vereinfachen, aber Peppers Erfahrung deutet an, dass die aktuelle Vorgehensweise immer noch mangelhaft ist. Nachdem sie „wie eine Kriminelle" über zehn Stunden von drei verschiedenen Beamtenteams befragt worden war und „mir anschaute, wie man unbeholfen mit meinem ‚Rape Kit' umging, das nachlässig von einem Polizisten durch die Gegend geworfen wurde", ließ ein Beamter auch anklingen, dass sie ja ein „Party Girl" sei, so Pepper. Er sagte außerdem zu ihr: „Du weißt schon, dass Sex, den man bereut, keine Vergewaltigung ist." Am Ende dieses zehnstündigen Prozesses hatte Pepper kaum brauchbare Informationen darüber, was sie in ihrem Fall jetzt noch tun konnte. Als ich mich eine Woche, nachdem sie ihren Post veröffentlicht hatte, mit Pepper unterhielt, war es ihr immer noch nicht möglich gewesen, den zuständigen Polizeibeamten zu kontaktieren. Das NYPD bestätigte unabhängig gegenüber THUMP, dass ihr Fall offen ist und vom Manhattan Special Victims Squad bearbeitet wird.

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Pepper hatte auch die Nachricht aus der Bahn geworfen, dass das Happy Ending Aufnahmen von der Überwachungskamera hatte, auf denen zu sehen war, wie sie den Beschuldigten vor dem besagten Vorfall küsst und umarmt—Aufnahmen, die laut eines Sprechers des Clubs zeigen würden, „dass es sich mit 90-prozentiger Wahrscheinlichkeit um einvernehmliches Verhalten handelt", wie er der New York Post gegenüber sagte. (Der Sprecher wurde kurz danach gefeuert.) „Es war unglaublich schockierend, das zu hören", sagte Pepper. „Ich glaube nicht, dass ich den Typen herauspicken könnte. Mir kommt es noch immer komisch vor, dass es nicht mehr als Vergewaltigung durch einen Fremden gilt, nur weil es Videoaufnahmen davon gibt, wie er meine Hand hält."

„Ich erkenne schon an, dass man sich gegenüber jemandem verliebt zeigen kann und diese Person dann aber die Grenzen des Einvernehmlichen überschreitet", sagte Maurice Sercarz, ein Strafverteidiger bei Sercarz and Riopelle und Lehrbeauftragte für Recht an der Fordham University School of Law. „Wenn es zu einer gewalttätigen Nötigung kommt, dann handelt es sich um eine schwere Vergewaltigung, egal, was Minuten zuvor passiert ist."

Trotzdem wies Sercarz darauf hin, dass einen Vergewaltigungsfall vor Gericht zu bringen, eine komplizierte Angelegenheit sei, da die Staatsanwalt tendenziell nur in Fällen einschreitet, bei denen eine Verurteilung zu erwarten ist. „Eine Entscheidung, den Fall nicht zu verhandeln—oder im Falle einer Grand Jury, keine Anklage zu erheben—muss kein Urteil über das Verhalten einer Frau sein", fügte Sercarz hinzu und zog damit einen Vergleich zu den Fällen in der jüngeren Vergangenheit, bei denen sich Grand Juries dagegen entschieden hatten, Polizisten wegen unverhältnismäßiger Gewalt gegenüber Minderheiten vor Gericht zu stellen. „Es ist vielleicht einfach der Fall, dass die erforderliche Beweisdichte einfach nicht gegeben ist. Es heißt nicht, dass das Opfer irgendetwas falsch gemacht hat."

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Noisey: Es gibt Vergewaltigungen auf Festivals, auch wenn niemand darüber spricht.

„Unser Rechtssystem ist davon abhängig, dass Opfer beweisen, dass sie Opfer sind", sagte Leslie Dinkins, eine klinische Sozialarbeiterin, die mehr als ein Jahrzehnt lang mit Opfern und Tätern häuslicher Gewalt in Atlanta gearbeitet hat. Laut RAINN führt dieses System dazu, dass gerade einmal zwei Prozent der angeklagten Vergewaltiger verurteilt werden und im Gefängnis landen.

Vielleicht würde es an unseren eigenen Ängsten liegen, dass die Opfer so sehr in der Bringschuld sind, gab Dinkins zu bedenken. Sie nannte das die „Einbildung von Sicherheit"—ein Begriff von Gavin de Becker, dem Autoren von Mut zur Angst und ein führender Experte zu gewalttätigem Verhalten. „Wenn wir den Opfern nicht die Schuld geben möchten, dann müssen wir uns eingestehen, dass es mehr Täter gibt, als wir glauben wollen", sagte Dinkins. „Wir wollen Opfern nicht glauben, weil wir nicht denken wollen, dass wir belogen werden—oder dass wir unsicher sind."

Am Telefon klang Pepper richtig mitgenommen, als sie mir sagt: „Ich schaffe es gerade kaum, meinen Kopf über Wasser zu halten. Die Menschen sagen mir, dass ich es beweisen muss. Meine Vagina ist angerissen, mein Gebärmutterhals ist entzündet, an meinem ganzen Körper waren Verletzungen, die auch fotografiert wurden. Das ist hier ist keine Folge von Law and Order—das ist mein Leben." Sie atmete einmal tief durch: „Ich bereue mein Facebook-Posting nicht, weil es anderen Menschen ermöglicht hat, ihre eigenen [Vergewaltigungs-] Erlebnisse zu teilen. Ich hätte es vielleicht nur später machen sollen."

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Kurz nachdem wir aufgelegt hatten, veröffentlichte Happy Ending eine geschnittene Version des Überwachungsvideos und nannte es, „Kameras lügen nicht—Happy Endings Antwort auf Pepper Ellett zu der Nacht der vermeintlichen Vergewaltigung." Es wurde von einem Statement begleitet, das Peppers Version der Ereignisse mit dem verglich, was in dem Video zu sehen ist.

Ein Standbild von besagten besagten Videoaufnahmen, die das Happy Ending als Antwort auf Pepper Elletts Anschuldigungen veröffentlicht hatte.

Das Video wurde am gleichen Tag wieder entfernt und der Happy Endings Mitinhaber Max Levai schickte per E-Mail ein Statement an THUMP, in dem er sich für das „Kommunkationsversagen" entschuldigte. „Die Kommentare, die sowohl mein Partner, als auch mein ehemaliger Sprecher in den letzten Tagen abgegeben haben, waren unglücklich. Sie spiegeln nicht wieder, wie ernst ich die Situation nehme", sagte Levai.

Die defensive Haltung des Happy Ending steht im krassen Gegensatz zu der Entscheidung des Bossa Nova, sich auf die Seite des mutmaßlichen Opfers zu stellen. Dennoch zeigen diese beiden, unglaublich unterschiedlichen Reaktionen, die unklaren Verantwortlichkeitsverhältnisse der Clubs bei solchen Vorfällen auf. Bars und Clubs sind in den USA nicht gesetzlich dazu verpflichtet, solche Übergriffe zu melden, und ein Sprecher des NYPD sagte gegenüber dem Gothamist, dass das Happy Ending nicht in der Verantwortung stand, seinen Mitarbeiter auszuliefern.

Viele Bars und Clubs unternehmen aber trotzdem Schritte, ihren Gästen mehr Sicherheit zu gewährleisten. „Wenn sie das Verbrechen nicht am nächsten Tag, in der Woche oder dem Jahr gemeldet haben, und der Angestellte jemand anderes angreift, dann würde das als Beweis dafür gelten, dass der Laden zu einem gewissen Grad auch zivilrechtlich dafür haftbar zu machen ist", so Sercarz. Außerdem sind derartige Vorfälle einfach schlecht fürs Geschäft. Das Happy Ending, das im Mai schon von Unbekannten mit einem „Woman Beater"-Schriftzug versehen worden war, nachdem Mitbesitzer Teddy Perweiler verhaftet wurde, weil er seine damalige Freundin Julia Fox im Club angegriffen hatte, war in den folgenden Tagen nach Peppers Facebook-Post laut einer Jezebel-Redakteurin leer.

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Graffiti vor dem Happy Ending | Foto via Jezebel

Im Juli haben sich viele der wichtigsten Bars und Clubs in Brooklyn mit dem NYPD zusammengetan, um eine Sicherheitskampagne namens #OutsmartBK zu gründen. Laut einer Sprecherin war das Projekt ins Leben gerufen worden, um auf „behutsame" Art gegen den Anstieg der Kriminalitätsrate in Brooklyn anzugehen. Die Kampagne wurde von wöchentlichen Veranstaltungen und Wettbewerben begleitet, aber das Hauptmedium zur Verbreitung von Sicherheitstipps war das Internet—vor allem Instagram.

„Social Media ist für eine Reihe Überlebender von sexueller Gewalt ein mächtiges Mittel geworden, um von ihren Erfahrungen zu berichten und sie zu teilen", sagte Chauntel Gerdes, eine Sozialarbeiterin, die Bars und Clubs dabei helfen will, auf sexuelle Gewalt im Nachtleben zu reagieren. Gerdes ist gerade dabei, ein Trainingsprogramm zu entwickeln, das Barangestellten dabei helfen soll, Gewalt vorzubeugen—in Zusammenarbeit mit Promotern, Clubbesitzern und DJs.

Gerdes verwies außerdem auf andere Webseiten wie dem Anti-Violence Project, Collective Action for Safe Spaces in DC, Hollaback! und Callisto, die neue Mittel und Wege für Opfer erschaffen haben, ihre Erfahrungen mit mehr Transparenz und Selbstbewusstsein zu dokumentieren. Sie warnte allerdings davor, diese Online-Foren oder den Opferdiskurs in den sozialen Netzwerken als Wundermittel des tiefsitzenden Problems sexueller Übergriffe im Nachtleben zu sehen.

Ich möchte das größere, systematische Problem angehen, denn das, was mir passiert ist, ist kein Einzelfall. Was sind das für Umstände, die so ein hartnäckiges Problem produzieren?

Die Verbreitung in den sozialen Netzwerken ändert schon jetzt. Opfer machen Vergewaltigungen bekannt und die Gesellschaft reagiert auf derartige Anschuldigungen nicht mehr wie früher. Die Technologie hat für Pepper und Mary als eine Art Megaphon funktioniert und es beiden Frauen ermöglicht, Aufmerksamkeit auf Probleme zu ziehen, die sie unbedingt lösen wollen, während sie gleichzeitig andere Frauen vor den Beschuldigten warnen. „Ich möchte das größere, systematische Problem angehen, denn das, was mir passiert ist, ist kein Einzelfall. Was sind das für Umstände, die so ein hartnäckiges Problem produzieren? Was muss passieren, damit sich diese Umstände ändern?", schrieb Pepper in ihrem Facebook-Post—den Mary später auf ihrer eigenen Pinnwand teilte und mit dem Kommentar versah: „JA. LASST UNS LAUT WERDEN. Wir müssen dem ein Ende setzen."

Gleichzeitig gibt es hartnäckige Probleme im Zusammenhang mit den Übergriffen im Nachtleben, die von der Unmittelbarkeit des Internets nicht gelöst werden können—und es in Peppers Fall mit dem Entkräftigungsversuch des Happy Endings noch komplizierter machen. Ohne einen klaren Rahmen, was die Verantwortlichkeiten angeht, finden sich die Bars und Clubs irgendwo im Niemandsland zwischen geschäftlicher, rechtlicher und moralischer Verantwortlichkeit wieder, wobei sie sich oft zwischen sehr unterschiedlichen und manchmal auch entgegensetzlichen Konflikten hin- und hergerissen sehen. Die Allgegenwärtigkeit von Drogen und Alkohol in diesem Umfeld lässt oft die Grenzen des Konsens verschwimmen und macht es noch schwieriger, derartige Fälle überhaupt vor Gericht zu bringen. Wenn Frauen wie Mary und Pepper auf Social Media zurückgreifen, um ihre Opferperspektive darzustellen, dann hat das auch damit zu tun, dass in einer Kultur mit kaum anderweitig vorhandenen, verlässlichen Möglichkeiten die Bekanntmachung das mächtigste Mittel ist, das einem bleibt. Vielleicht hat Dinkins gar nicht so unrecht damit, dass es „wichtig ist, ihnen etwas von der Verantwortung von den Schultern zu nehmen und sie gleichmäßiger auf die Gemeinschaft zu verteilen."

*Namen wurden geändert.

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