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Ausgehen

Ein Schlafforscher erklärt dir, wie du deinen Schlafrhythmus fürs Feiern optimierst

Mythos Vorschlafen, drei Tage wach und Drogen: Wir haben all das und mehr mit Prof. Fietze besprochen.
clemsonunivlibrary (CC BY-NC)

„Drei Tage wach" heißt eine der „Drogenhymnen" (Spiegel Online) der Clubkultur. In dem 2008 erschienen Hit von Tobias Lützenkirchen singt eine verzerrte Stimme: „Auf geht's, ab geht's, drei Tage wach/ Nächste Party kommt bestimmt, drei Tage wach". Wach sein und wach bleiben sind zentrale Voraussetzungen eines jeden Raves. Fernab von den beliebten Aufputschmitteln gibt es auch noch andere Methoden, auf die erfahrene Clubber schwören. Zum Beispiel das Vorschlafen. Doch bringt das wirklich was? Wie viel Schlafentzug kannst du deinem Körper überhaupt zumuten? Wie viel Feiern ist zu viel? Ist es gesünder, vor Mitternacht zu schlafen, wie unsere Großeltern immer gerne behaupten? Um den Schlaf ranken sich viele Mythen, dabei ist er für alle Lebensbereiche von erheblicher Bedeutung. Im Dienste der Aufklärung haben wir daher Prof. Dr. Ingo Fietze gesprochen. Er ist Leiter des Interdisziplinären Schlafmedizinischen Zentrums am Charité Berlin. Außerdem hat er ein Buch über guten und schlechten Schlaf geschrieben.

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Herr Prof. Fietze, was ist ein gesunder Schlafrhythmus bzw. ein gesunder Schlaf?
Ein gesunder Schlaf dauert ungefähr siebeneinhalb Stunden. Wenn man zwischen 20 und 30 Jahre alt ist, auch gerne eine Stunde mehr. Er sollte in jungen Jahren zwischen 23 und 24 Uhr beginnen. Gesund ist er dann, wenn man morgens fit aufwacht und keinen Mittagsschlaf braucht, also so, dass man wach über den Tag kommt.

Also stimmt die Weisheit, dass man vor Mitternacht schlafen sollte?
Das ist schon so. Natürlich ist es auch so: Je später ich ins Bett gehe, desto müder bin ich und desto besser kann ich einschlafen, keine Frage. Aber da die Körpertemperatur in der zweiten Nachthälfte ab drei Uhr schon wieder ansteigt, wird die Qualität des Schlafes insgesamt schlechter, wenn man spät schlafen geht.

Und das ist diese biologische Uhr, von der man immer redet?
Genau. Nachts steigen die Schlafhormone an und die Wachhormone fallen ab. Die Körpertemperatur fällt ebenfalls, was zum guten Einschlafen beiträgt.


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Bis zehn Uhr morgens feiern zu gehen, ist also schlecht für den Körper?
Für die ganzen Clubgänger gibt es folgende Faustregel: Alles, was man zwei bis drei mal die Woche macht, ist noch im erlaubten Bereich. Da kann man auch zu kurz und gegen seinen Rhythmus schlafen. Alles was man vier mal die Woche oder öfter macht, erhöht deutlich die Gefahr, seinen Schlaf- und Wachrhythmus durcheinander zu bringen, auf Dauer.

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Weil der Körper das nicht mehr ausgleichen kann?
Ja. Der Körper kann zwei bis drei schlechte Schläfe pro Woche noch ausgleichen.

Schlecht schlafen heißt, dass man Probleme beim Einschlafen hat? Oder beim Durchschlafen?
Das kann beides sein.

Wie beeinflusst Alkohol den Schlaf?
Als gesunder Schläfer kann man regelmäßig Alkohol trinken, wenn man auf Partys ist. Grundsätzlich schläft man mit Alkohol besser ein, das ist ja bekannt. Alkohol stört allerdings, wie die höhere Körpertemperatur, die zweite Nachthälfte und macht den Schlaf ineffektiver. Zumindest bei gemäßigtem Trinken. Zuviel Alkohol wie z.B. eine Flasche Wodka betäubt eher und laesst einen auch lange schlafen, aber weder ist der Schlaf qualitativ gut, noch ist dies gesund. So wenig wie möglich sollte die Devise sein.

Und wie ist es mit Drogen?
Alles, was aufputscht, ist selbstredend kontraproduktiv. Alles was entspannt, hilft natürlich beim Einschlafen. Allerdings sprechen Drogen wie Hasch, Kokain oder Heroin immer die gleichen Schlaf-/Wachrezeptoren im Gehirn an. Deshalb kann eine Droge auch wach oder müde machen. Auf Dauer wird man damit aber zum schlafgestörten Menschen. Ich kenne viele Menschen, die nach dem ersten Joint nicht mehr richtig schlafen konnten. Es gibt aber natürlich auch solche, die das länger machen und dann Schlafstörungen bekommen. Also diese Mittel sind ein No-Go für den Schlaf.
Jeder, der ein sensibler Schläfer ist, den z.B. kleinste Geräusche stören, sollte von vornherein das Partyleben auf ein bis maximal zwei mal die Woche einschränken, unabhängig von den sonstigen Gefahren für den Schlaf. Es gibt aber auch wenige Leute, die sind da vollkommen unempfindlich und der gute Schlaf lässt sich nicht ärgern, nicht von Party, Schlafdefizit, Alkohol oder sogar Drogen. Ähnlich dem gesunden Raucher mit den guten Genen. Darauf sollte man es aber nicht ankommen lassen.

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Unter Clubgängern ist das Vorschlafen beliebt. Ist das sinnvoll?
Ja, absolut. Wenn man am späten Nachmittag oder Abends mindestens eineineinhalb bis zwei Stunden schläft, kann man fit durch die Nacht gehen. Noch besser sind vier Stunden, dann ist man auf jeden Fall die ganze Nacht fit.

Warum ist das so?
Ein gesunder, regenerierender Schlafzyklus besteht aus Traum und Nicht-Traum. Er dauert 90 bis 120 Minuten im Durchschnitt.

Und ein Schläfchen am Mittag, sagen wir eine halbe Stunde?
Der kann einem maximal zwei bis drei Stunden mehr Wachheit geben.

Wie ist es wenn man unter der Woche ausgeht?
Wenn man dabei die oben genannte Faustregel einhält, kann man auch mal unter der Woche weggehen. Schichtarbeiter schaffen es ja auch trotz ständig wechselnder Schlafrhythmen. Das Schlaf-/Wachsystem ist schon sehr stabil. Da kann man auch unter der Woche mal über die Stränge schlagen. Allerdings nicht, wenn man ein sensibler Schläfer ist und/oder schon Schlafstörungen hat. Dann ist Feiern unter der Woche ein No-Go.

Viele ältere Menschen, wie ich, beklagen sich oft, dass sie nach dem Feiern nicht mehr so lange schlafen können und früh von alleine aufwachen.
Ja, der Schlaf altert mit. Die Wachphasen werden mehr im Alter und dementsprechend schlechter ist der Schlaf.

Also lieber tagsüber feiern? Ist das gesünder?
Ja, dagegen ist nichts einzuwenden. Besonders wenn man tanzt, ist das für den Schlaf förderlich. Wenn man nur rumsitzt und trinkt, ist das wiederum kontraproduktiv.

Welche Folgen hat ein permanenter Schlafentzug?
Wenn man länger als fünf Jahre und mindestens vier mal die Woche schlecht schläft, kann man Bluthochdruck oder Diabetes bekommen, wodurch sich die Lebenserwartung verkürzt. Das Hauptproblem bei Schlafentzug oder Durchmachen ist die eingeschraenkte geistige Leistungsfähigkeit. Für die körperliche Leistungsfähigkeit macht ein Schlafdefizit nicht allzu viel aus.

Also kommt es auch darauf an, was für einen Job man hat.
Exakt: Leute, die den ganzen Tag geistig gefordert sind, brauchen den erholsamen Schlaf in jeder Nacht, wenn sie ihre Leistung abrufen wollen.

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