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Sex

Heulsuse der Woche: Weiblicher Fesselsex-Fan vs. der deutsche Staat

Um ihre sexuellen Vorlieben nicht verraten zu müssen, behauptet eine Frau, sie sei überfallen worden – und ein Bingo-Abend im Altersheim fällt unter illegales Glücksspiel.
Links: Engin Akyurt | Pexels | CC0 || Rechts: imago | imagebroker

Es ist mal wieder an der Zeit, sich über ein paar Menschen zu wundern, die mit der Welt nicht fertigwerden.

Heulsuse #1: Ein weiblicher Fesselsex-Fan

Der Vorfall: Ein Pärchen veranstaltet Fesselspiele, streitet sich dann allerdings, woraufhin er sie gefesselt zurücklässt.

Die angemessene Reaktion: Sich befreien und anschließend ein sehr ernstes Gespräch über Grenzüberschreitungen und Vertrauen führen.

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Die tatsächliche Reaktion: Den Partner anzeigen.

Um eine Sache von vornherein klarzustellen: Wenn ihr euch in sexuelle Situationen begebt, in denen ihr eurer Partnerin oder eurem Partner "hilflos" ausgeliefert seid, dann braucht das Vertrauen. Vertrauen, dass der andere Part aufhört, wenn ihr wollt, dass er oder sie aufhört. Vertrauen, dass das Ganze eben nur eine Fantasie ist, die ihr auslebt – keine tatsächlich bedrohliche Situation. Von daher kann gesagt werden, dass die Heulsusenkandidatin in diesem Fall durchaus Grund zur Wut gehabt hat, als ihr Partner sie, nach nicht näher ausgeführter Sexytime und anschließendem Streit, an einen Stuhl gefesselt in der Wohnung zurückließ. Nur was sie aus diesem Vorfall gemacht hat, erschließt ganz eindeutiges Heulsusen-Territorium – und alles nur aus Angst davor, dass ihre sexuellen Vorlieben bekannt würden.

Ihren Eltern, die sie aus der abgeschlossenen Wohnung befreiten, erzählte die 32-Jährige, sie sei überfallen worden. Zuvor hatte sie sich bereits erfolgreich mit einem Cuttermesser entfesselt. Ihr Freund habe ihre Handtasche inklusive Autoschlüssel und 600 Euro Bargeld entwendet und sie anschließend gefesselt in ihrer Wohnung zurückgelassen, behauptete sie. Eine Aussage, die dazu führte, dass ihr Freund sich am 4. Oktober wegen Freiheitsberaubung und schweren Raubs vor dem Kölner Landgericht verantworten musste.

"Ich liebe diese Frau. Ich weiß nicht, warum sie diese Aussage so gemacht hat", erklärte der Angeklagte da. Und wurde zur Überraschung der anwesenden Parteien von der Klägerin entlastet. "Der hat mir nie was Böses gesagt oder getan", räumte die plötzlich ein. Sie sei nur wütend gewesen, dass er sie gefesselt in ihrer Wohnung eingeschlossen habe. Und hätte nicht gewusst, was sie ihren Eltern erzählen solle. Nun, der Vertuschungsversuch ihrer sexuellen Vorlieben ging eindeutig nach hinten los. Oben drauf könnte es nun außerdem ein Verfahren wegen falscher Verdächtigung gegen die 32-Jährige geben. Win-win sieht anders aus.

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Heulsuse #2: Der deutsche Staat

Der Vorfall: Eine Seniorengruppe aus Hannover spielt jede Woche Bingo um kleine Geldbeträge.

Die angemessene Reaktion: Sich darüber freuen, dass alte Menschen mehr können, als die ganze Zeit über den Krieg zu sprechen.

Die tatsächliche Reaktion: Eine Genehmigung fordern, weil der Bingoabend unter "illegales Glücksspiel" fallen könnte.

Jeder hasst das Ordnungsamt. Das liegt in der Natur der Sache, schließlich hält es einem stetig das eigene gesellschaftliche Versagen vor – und möchte dafür ordentlich Geld von uns haben. Zigaretten auf dem Boden austreten? Das Ordnungsamt steht auf der Matte. Betrunken in einem Park abhängen und unter Umständen ein bisschen zu penetrant laut lachen? Das gottverdammte Ordnungsamt ist schneller da, als ihr "Bierflasche" buchstabieren könnt. Das liegt daran, dass in Deutschland wahnsinnig viel reglementiert ist. Man ist nicht einmal dann vor dem deutschen Rechtsstaat sicher, wenn man eine der langweiligsten Aktivitäten überhaupt ausübt: Bingo. Und das mussten Rentnerinnen und Rentner aus Hannover jetzt am eigenen Leib erfahren.

Jeden Mittwoch spielen die Seniorinnen und Senioren des "Wohnpark Kastanienhof"-Bingo um kleinere Geldsummen. "Wir spielten höchstens mal um einen Kaffee-Gutschein. Aber das war nicht dasselbe. Mit Geld, wenn auch nur kleine Summen, macht es doch mehr Spaß", erklärte Rentnerin Irmtraud Schott gegenüber der Bild. Jeder Mitspielende zahlte also maximal zwei Euro ein – und durfte sich am Schluss wahrscheinlich über den gewonnenen Gegenwert einer Packung Toast freuen. Weil wir allerdings in Deutschland leben und jede Art von Spaß totbürokratisiert wird, fallen selbst derart kleine Beträge unter den Glücksspielstaatsvertrag. Was bedeutet: Wenn die Gruppe keine Genehmigung für den Bingo-Abend hat, könnten sie illegales Glücksspiel betreiben. Aus Angst vor dem Ordnungsamt fanden die Spieleabende ihr vorläufiges Ende. Danke, Merkel!

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Mittlerweile scheinen sich die rund 40 Bingo-Fans und das Hannoveraner Ordnungsamt allerdings auf einen Kompromiss geeinigt zu haben. Die Bingo-Abende dürfen fortgeführt werden, der Maximaleinsatz wurde allerdings drastisch verringert – auf 50 Cent.

Und jetzt dürft ihr abstimmen: Wer soll die Heulsuse der Woche sein?*

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