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MDMA

Was die UN-Drogenaufsicht in ihrem neuen Bericht vergessen hat

Im INCB Report 2016 werden auf 132 Seiten viele Dimensionen von Drogenpolitik berücksichtigt. Nur eine Wichtige fehlt.

Langsam beginnt wieder die Saison der Drogenberichte. Den Anfang macht das International Narcotics Control Board (INCB), das die Umsetzung und Einhaltung diverser UN-Abkommen zur Regulierung des Drogenhandels überwacht. Seit heute liegt der Report für das Jahr 2016 vor. Er beschäftigt sich in erster Line mit dem Drogenkonsum von Frauen. Aber auch verschiedene Aspekte des Handels mit legalen und illegalen Substanzen sowie den Umgang mit Süchtigen und deren Behandlung werden beleuchtet. Darauf basierend werden abschließend drogenpolitische Empfehlungen an die UN-Mitgliedsstaaten ausgesprochen. Doch ein wichtiger Aspekt taucht in dem ganzen Bericht nicht ein einziges Mal auf: das Drug Checking.

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Dabei fordern viele europäische Drogenberatungen und Experten schon seit geraumer Zeit, flächendeckend Angebote zu schaffen, die es ermöglichen, über die genauen Bestandteile von Substanzen zu informieren. Bei Drogenabhängigen kann das Konsumrisiko reduziert und gesundheitliche Schäden damit minimiert werden. Bei denjenigen, die auf Partys hin und wieder konsumieren, ist der Test der eigenen Drogen oft der erste Kontakt mit einer Hilfsstelle, die dadurch frühzeitig problematische Konsummuster erkennen kann, wie Christian Kobel vom Drogeninformationszentrum DIZ in Zürich uns neulich im Gespräch erklärte.

Das INCB konzentriert sich bei der Frage nach der adäquaten Drogenpolitik allerdings auf andere Aspekte. Präventionsprogramme, Versorgung und Rehabilitation von Süchtigen sowie keine allzu harten juristischen Strafen für Drogenkonsumenten. Außerdem sollen die Mitgliedsstaaten die Handelswege kontrollieren. Zum einen für legale Medikamente, damit sie nicht auf den Schwarzmarkt gelangen. Zum anderen für Drogen und deren Vorprodukte. Zum Beispiel MDMA.

Kontrolle der Distributionswege reicht nicht aus

Herkömmlicherweise ist einer der zentralen Bestandteile der Substanz Safrole, eine gelbe Flüssigkeit mit anisartigem Geruch, die aus dem Sassafrasarten wie dem Fenchelholzbaum gewonnen wird. Herstellung, Erwerb und Abgabe dieses Stoffes ohne Genehmigung sind in der Europäischen Union mittlerweile verboten und werden strafrechtlich verfolgt. Allerdings haben einige kreative Chemiker einen Weg, diese Restriktionen zu umgehen, indem sie PMK-Glycidat aus China importieren. Dieses lässt sich ebenfalls als Grundbaustein zur Produktion von MDMA verwenden und (noch) legal erhältlich ist. Ohne PMK-Glycidat wären die Pillen in den letzten Jahren vermutlich nicht so stark geworden.

Die Distributionswege zu kontrollieren ist also ein schwieriges Unterfangen, weil neue Wege gesucht und gefunden werden, so dass irgendwie doch immer Substanzen bei den Konsumenten landen. Selbst wenn die Produktion von MDMA unterbunden wird, hilft das nur bedingt weiter, wie erst kürzlich bekannt wurde. In Süddeutschland wurden mehrere Pillen sichergestellt, auf die das Logo des Tomorrowland-Festivals geprägt waren. Allerdings wurden sie aus nicht näher genannten Research Chemicals hergestellt.

Die gesundheitlichen Folgen solcher Pillen sind kaum abschätzbar, weil es hunderte Varianten geben kann. Mit Drug Checking hätten die Konsumenten auch hier eine Möglichkeit, vorher zu erfahren, was (nicht) in ihren Teilen steckt. Dadurch könnten sie ihre Gesundheit – so weit es geht — schützen. Und das wäre auch im Sinne des INCB, schließlich ist Gesundheitsschutz sein erklärtes Ziel.

Die INCB Reports werden im Übrigen bereits seit Jahren von Kritikern als unzureichend eingestuft.

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