Maral Salmassi gibt Techno eine zweite Chance und uns einen exklusiven Mix
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Maral Salmassi gibt Techno eine zweite Chance und uns einen exklusiven Mix

Die Konsequent-Gründerin packt Dopplereffekt, CTRLS und Planetary Assault Systems in ihren Gastmix und erklärt dir zudem, wie sehr sich Techno in den Jahren ihrer Abwesenheit verändert hat.

Es war der tragische Tod des Produzenten und engen Freundes Christian Morgenstern, der Maral Salmassi dazu veranlasste, ihr Label Konsequent Records 2003 einzustellen. Jahrelang befasste sie sich nicht mehr mit Techno, wurde stattdessen mit ihrem Alias Kali und ihrem neuen Label Televison Rocks bekannt. Im letzten Jahr veröffentlichte die Berlinerin dann erstmals auch eine Techno-EP unter eigenem Namen – auf Konsequent, das sie wiederbelebt hatte. Zeitgleich legte sie dort Christian Morgensterns gesammelten Backkatalog neu auf und brachte eine von ihr zusammengestellte, ausgiebige Remix-Reihe seiner Arbeiten heraus. Jetzt legt Maral Salmassi am Freitag nach, wenn die gemeinsam mit Kollege d_func. produzierte Coils EP erscheint.

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Wie diese klingt, kannst du unten in unserem exklusiven Gastmix nachhören, in dem Maral auch zwei eigene Tracks mit neuen Produktionen von Lucy bis Planetary Assault Systems in einen zwingenden Techno-Mix der Jetztzeit gepackt hat. Im Interview haben wir uns zudem mit ihr darüber ausgetauscht, was sich in der Zwischenzeit alles geändert hat und wie es nun mit ihr und Kali weitergeht.

THUMP: Maral, du hast gerade dein Label Konsequent Records wiederbelebt, zahlreiche Jahre nach seinem vorläufigen Ende. Trotz deiner Label- und Vertriebsarbeit hast du meines Wissens erst 2003 mit dem Produzieren angefangen. Wie ist das für dich, nach 20 Jahren selbst auf dem eigenen Label zu debütieren?
Maral Salmassi: Ich fühle mich irgendwie befreit und bin auch ein wenig stolz. Nach Christians Tod konnte ich mir ja überhaupt keine Techno-Musik mehr anhören und brach alles ab, was mich an unsere gemeinsame Vergangenheit erinnerte. Danach fing dann eine sehr ausführliche Experimentierphase an, die nicht nur musikalisch bedingt Teil einer – ich weiß nicht, wie ich es sagen soll – mehr oder weniger spirituellen Entwicklung war. Eine Anmerkung noch: Mein Verhältnis zum Wort "spirituell" ist ambivalent. Das liegt an seiner heute zu homöopathisch geratenen Bedeutung. Stoisch betrachtet, würde ich die zurückliegenden 20 Jahre schlicht als eine Zeit der Selbstfindung bezeichnen.

Warum gab es in der ersten Konsequent-Phase keine Single oder ähnliches von dir?
Weil mir damals noch das nötige Selbstbewusstsein dazu fehlte. Ich war mit nichts, was ich produziert hatte, zufrieden. Ich war mir nicht darüber klar, was ich eigentlich ausdrücken wollte.

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Du hast bis 2003 neben Konsequent Records auch dein zweites Label Art Of Perception und den Vertrieb Formic. eingestellt bzw. dich da rausgezogen. Als wir uns das letzte Mal persönlich gesehen haben, hast du gesagt, dass sich das Techno-Labelbusiness in deiner Abwesenheit sehr stark verändert hat. Was ist für dich die größte Umstellung, was die größte Erleichterung?
Bis 2003 waren die Vinyl und CD Verkäufe noch solide und haben somit nicht nur unsere Produktionskosten als Independent Label bezahlt, sondern sogar eine zufriedenstellende Gewinnspanne ergeben. Große Vinylverkaufszahlen im Bereich 15.000 bis 20.000 waren keine Seltenheit. Mit der Einführung von MP3 und dem Einstieg von Plattformen wie Napster allerdings brachen die Verkäufe ab 2003 massiv ein – sogar so sehr, dass große Independent-Vertriebe wie EFA kollabierten und somit einen Dominoeffekt auslösten. Es war desaströs und traf uns alle völlig unerwartet. Davon erholte sich der Tonträgermarkt nicht mehr, bis er sich um 2010 verkaufstechnisch im Nanobereich stabilisierte. Dafür sind die Digitalverkäufe heute viel stärker und das digitale Format ist an sich vom Aufwand und der finanziellen Risikobelastung her für kleine Labels deutlich angenehmer zu handhaben.

Im März hast du den gesamten Backkatalog von Christian Morgenstern wiederveröffentlicht und auch eine wunderbare Remixcompilation samt einer Sonderedition des Künstlers Thomas Scheibitz herausgebracht. Ist die Entscheidung, selbst zurückzukehren, während dieser Arbeiten oder erst danach gefallen?
Währenddessen. Ich habe mich dann auch gleichzeitig an meinem Remix für die Morgenstern-Reihe gesetzt und in einem Schub auch die Omni EP produziert und parallel zu der Reihe auf Konsequent veröffentlicht.

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In deinem Mix sind auch zwei Tracks von der neuen EP zu hören – eine Kollaboration mit Alexander Kowalski alias d_func.. Wie seid ihr an die Produktion herangegangen?
Alex gehört ja zu den ersten Künstlern, die ich bereits in den 90ern auf Konsequent veröffentlichte, und ist ein langjähriger Freund. Während der Arbeit an der Morgenstern Reihe beriet ich mich oft bezüglich der Künstlerauswahl mit ihm und so entstand auch die Idee einer Kollaboration. Ich habe aus unzähligen Skizzen, die ich auf meinem Rechner habe, zwei ausgesucht und die etwas mehr ausgearbeitet. Danach haben wir die Tracks gemeinsam fertig produziert.

Wie, wo und wann hast du den Mix aufgenommen?
Das war bei mir im Studio, und zwar mit dem Pioneer NXS System und Rekordbox.

Was ist der Idealzustand bzw. die Idealumgebung, die man deiner Meinung nach einnehmen sollte, um ihn zu hören?
Ob in der Bahn, im Auto oder im Club: Dieser Mix ist sowohl zum Hören als auch zum Tanzen gedacht. Ich habe bewusst detailreiche futuristische Tracks ausgesucht, die sich elegant aber dynamisch und kraftvoll entfalten. So ist auch die Dramaturgie im Hinblick auf das Track-Arrangement angelegt.

Der Mix ist insgesamt unglaublich aktuell. Das Gros der Tracks ist erst dieses Jahr erschienen, der älteste von 2015. War das auch das Jahr, in dem du dich wieder an Techno angenähert hast? Und spielst du keine Platten aus den Jahren davor, inklusive der Konsequent Phase?
2015 war in der Tat das Jahr der Annäherung für mich und erfreulicherweise entdeckte ich auch gleich so viel unglaublich gute neue Techno-Musik. Die Techno-Classics kenne ich und habe sie auch schon oft gespielt. Das reizt mich nicht mehr so sehr. Ich bin neugierig und möchte mehr Neues hören.

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Wie siehst du deine Zukunft als Künstlerin zwischen Kali und "Maral Salmassi" einerseits und als Labelbetreiberin zwischen Konsequent und Television Rocks andererseits?
Kali ist mein Kunstprojekt und experimentiert thematisch – sowohl musikalisch als auch visuell – mit der Schnittstelle zwischen orientalischer und westlicher Kultur. Mein Label Television Rocks bietet wiederum genrespezifisch nicht greifbaren Musikprojekten wie eben Kali eine Plattform. Ich habe dafür gerade zwei junge Newcomer gesigned und selbst produziert: die isländisch-finnische Sängerin Magnea (musikalisch irgendwo zwischen FKA Twigs und The Knife) und der unglaublich talentierte Venezolaner Aria Lester, der stilistisch und Spirit-technisch Arca, Opern, Prince und Freddy Mercury vereint. Haha. Ich weiß, ich weiß, ich freue mich natürlich sehr auf diese Veröffentlichungen und blase ausgedehnt Fanfare … Aber übertrieben habe ich echt nicht. Das werdet ihr ja noch hören.
Auf Konsequent erscheint auch noch einiges, und zwar u.a. von d_func., Diego Amura, KVD und natürlich von mir. Momentan arbeite ich auch noch an einem sehr darken Electronica-Album, welches wieder an meinem ersten selbst produzierten Track "Forever" – veröffentlicht auf Art Of Perception – anknüpft und dessen Essenz auf recht gnadenlose Weise als Album umsetzt.

Zum Abschluss noch etwas ganz Anderes: Deine Familie ist aus dem Iran geflohen, als du noch ein Kind warst. Elektronische Musik ist in dem Land de facto verboten, dennoch gibt es eine kleine Untergrundszene. Hast du eine Verbindung dazu bzw. die Hoffnung, auch noch mal im Iran auflegen zu dürfen?
Ich habe leider kaum Verbindungen nach Iran und weiß von dort lebenden Verwandten, dass meine Kali-Facebookpage geblockt ist – wegen des angeblich "antiislamischen" Inhalts. Die wenigen iranischen Musiker, die ich kenne, leben alle im Exil.

Maral Salmassi "Guestmix for Thump" Tracklist
1. Dopplereffect - Cellular Automata
2. ORYX 9 - Subatomic Uprising in Cassiopea
3. Architectural - Plastic Dreams
4. Reeko - Basic Sentence
5. Rhubarb - Amorpha
6. Re:Axis - Coming In Peace (Abstract Division Remix)
7. Kessell - Physik
8. Splinter (UA) - Way of The Wicked
9. Splinter (UA) - Camomile Field
10. Dark Chambers- Tube
11. Maral Salmassi and d_func. - Pattern Abstraction
12. Jeff Rushin - Glow
13. CTRLS - Highway
14. Maral Salmassi and d_func. - Pattern Abstraction (Inigo Kennedy
Remix)
15. Alex Bau - Press
16. Tessela - Rub
17. Planetary Assault Systems - Surface Noise (P.A.S. Live Edit)
18. Kmyle - Tortured Mind
19. Lucy - Cannon Fodder (Planetary Assault Systems Remix)
20. Phase - Remote

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