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Rassismus

Neues Gutachten: Amokläufer von München war Rechtsterrorist

Den Behörden scheint das egal zu sein.
Foto: imago | Spöttel Picture

Als am 22. Juli 2016 Schüsse im Münchner Olympia-Einkaufszentrum fielen, war die AfD schnell zur Stelle. Mehrere Politiker der Partei forderten, die Grenzen zu schließen, und zitierten Berichte über "Islamterror in München". Sie waren falsch – wie auch vieles, was sonst im Netz kursierte. Wie ein neues Gutachten jetzt nahelegt, soll es sich bei dem Amoklauf des 18-jährigen David S. um eine rechtsextremistische Tat gehandelt haben. Er hatte neun Menschen getötet und anschließend sich selbst.

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Die Fachstelle für Demokratie der Stadt München hatte drei Sozialwissenschaftler beauftragt, die möglicherweise politischen Hintergründe des Amoklaufs zu untersuchen. Florian Hartleb, Christoph Kopke und Matthias Quent kommen laut einer gemeinsamen Recherche von SZ und WDR zu dem Schluss, dass David S. rechtsradikale Motive hatte. Ihre Ergebnisse werden die Gutachter am Freitag vorstellen.


Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt hatten Anfang dieses Jahres ihren Abschlussbericht vorgestellt und waren darin zu anderen Ergebnissen gekommen als das neue Gutachten. Die Behörden gingen davon aus, David S. habe sich für Mobbing an der Schule rächen wollen. Dass alle Opfer aus Familien mit ausländischen Wurzeln kamen, erklärten die Ermittlungsbehörden damit, dass das auch auf seine Mobber zugetroffen habe. David S. sei ein "psychisch kranker Rächer" gewesen und kein "terroristischer Kämpfer".

Doch wenn David S. rein aus Rache gehandelt hat, warum wählte er Opfer aus, die er nicht persönlich kannte? Die Gutachter präsentieren jetzt andere Erklärungen: David S. habe München vor Überfremdung schützen wollen und gewusst, dass er im OEZ auf viele Menschen mit Migrationshintergrund treffen würde. Er schrieb in einem Manifest über "ausländische Untermenschen" und beging die Tat bewusst am Jahrestag von Anders Breiviks Attentat, den er verehrte. Der Tag, der Ort, die Opfer: für die Forscher kein Zufall.

Matthias Quent schlussfolgert in dem Bericht, dass die Behörden Vorurteile und rassistische Motive von David S. ausgeblendet hätten. Er habe seine Opfer nicht nach Ähnlichkeiten mit seinen Peinigern an der Schule ausgesucht, sondern anhand von spezifischen äußerlichen Merkmalen. Das sei nichts anderes als Rassismus.

Die Wissenschaftler stützen sich auf Ermittlungsakten und Zeugenaussagen. Sie hatten außerdem Zugang zu den Daten, die auf dem Computer von David S. sichergestellt wurden. Dass die Gutachter jetzt zu einem anderen Ergebnis kommen, liege nicht etwa an Fehlern der Ermittlungsbehörden. Die hätten sauber gearbeitet. Der Unterschied liege wohl eher darin, dass sich die offiziellen Stellen bislang nicht dazu durchringen konnten, klar zu sagen, was für Motive David S. hatte: rassistische.

Trotz der neuen Erkenntnisse beharrt das Innenministerium auf seiner Theorie. Matthias Quent wirft den Behörden deshalb vor, die Tat zu rechtfertigen, indem man das Aussehen der Opfer mit den Mobbingerfahrungen des Täters in Verbindung bringe.

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