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Worüber wir sprechen, wenn es um „zu wenig Frauen“ in der Welt der Dance-Musik geht

Eine Crew junger, weiblicher DJs hat sich mit Thump zusammengesetzt, um über Sexismus in der Welt elektronischer Tanzmusik zu sprechen. (Ja, das ist immer noch ein Problem!)

Die Zahlen lügen nicht. In der Welt elektronischer Tanzmusik sind Frauen immer noch extrem unterrepräsentiert. Wie du sicher schon eine Million Mal gehört hast, haben es nur drei weibliche Acts (Nervo, Krewella und Tenashar) geschafft, in die in dieser Hinsicht wichtigste Popularitätsliste vorzustoßen: Die Top 100 DJ-Abstimmung im DJ Mag… und das ist tatsächlich schon ein großer Fortschritt im Vergleich zu den letzten Jahren.

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In den Line-Ups der Festivals sieht es ähnlich mager aus. Laut unseren eigenen Zahlen liegt die Prozentzahl an Frauen, die bei den größten Dance-Festivals in den USA auftreten, zwischen 2,6% und 9,6%. Ziemlich beschissen. Und lasst uns gar nicht erst mit den Problemen mit Bevormundung („Lass mich die Tracks für dich mixen") und sexueller Belästigung („Und dir auf den Arsch hauen, während ich das mache") anfangen, die so oft zu Tage treten. Trotzdem sind es viele weibliche DJs leid, über diese Probleme zu reden—die THUMP-Redakteurin DJ Star Eyes selbst hat gesagt, dass die Leute einfach die Fresse halten und mehr Frauen buchen sollen.

Statt meine eigene abgedroschene Abhandlung darüber zu schreiben, wollte ich die nächste Generation weiblicher DJs zu Wort kommen lassen—die, die bei Underground Raves und in Clubs auflegen, statt auf den großen Bühnen der männlich dominierten Festivals. Also habe ich die Discwoman Crew eingeladen—die ein Festival mit ausschließlich weiblichen DJs in Brooklyn veranstaltet (dessen Einnahmen dem Sadie Nash Leadership Project zugute kommen)—um mit ihnen im VICE Büro über Sexismus in der Szene zu sprechen.

Die Discwoman Crew mit der Autorin (links).

Die Crew besteht aus:

Lauren Flax: DJ, Songwriterin und Produzentin aus New York.
Christine Tran: Gründerin der Agentur Witches of Bushwick.
Frankie Decaiza Hutchinson: Online-Redakteurin beim Galore Mag, Kuratorin und Autorin
Emma Olson (aka Umfang): DJ und Produzentin aus New York, Resident im Bossa Nova Civic Club.

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Thump: Hey Ladieeez. Ich will das Ganze mit einer ziemliche einfachen Frage beginnen: Ist die Dance-Szene immer noch fast ausschließlich von Jungs dominiert?
Lauren Flax: Ugh, diese Frage wird wohl nie verschwinden.
Christine Tran: Weil sie relevant ist!
LF: Sie ist sehr relevant. Das Geschäft wird von Männern dominiert, sicher. Aber wenn Leute mich fragen wie das ist, dann kann ich nur fragen, was zur Hölle sie meinen. Ich mache einfach mein Ding.
Emma Olson: In der DJ Community bin ich von Männern umgeben, aber das ändert meine Einstellung zur Musik nicht.
Frankie Decaiza Hutchinson: Ich habe mit John Barclay (Inhaber des Bossa Nova Civic Club) darüber gesprochen und er hat gesagt, dass viele Männer keine weiblichen DJs buchen wollen. Es gibt immer noch ein Stigma.

Ich weiß, dass die Top 100-Liste des DJ Mag sich mehr im Mainstream bewegt als das, was ihr macht, aber es spiegelt trotzdem wider, was der allgemeine Geschmack ist. Was es noch schlimmer macht, dass dort so wenig Frauen Beachtung finden.
LF: Die Line-Ups der Festivals sind genauso schlimm. Da findet man zu 97% Männer. Das beeinflusst natürlich den Kreislauf der Unsichtbarkeit von weiblichen DJs—sie werden nicht gebucht, weil sie nicht vor so vielen Leuten spielen.

Bild via THUMP

Christine Tran: Das muss mit den Entscheidungsträgern zusammenhängen. Wenn ich ein Event buche, dann buche ich immer weibliche DJs. Aber ich spreche nicht darüber, ich mache es einfach.
Emma Burgess-Olson: Ich auch! Ich will dann nicht sagen, dass ich nur Frauen buche. Weil ich nicht will, dass die Leute das wissen. Ich will das nicht extra herausstellen, ich will einfach nur ein Teil davon sein.

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Ihr hackt fast schon ein bisschen das System. Ihr verändert still und heimlich die Balance, aber macht die Bemühungen nicht öffentlich, da sonst viele Leute das Ansinnen von vornherein schlecht machen würden. Ich finde, dass das ein kluger Weg ist, Sexismus zu überwältigen—der manchmal auch ziemlich hinterlistig ist.

LF: Ich habe Sexismus schon immer in der gleichen Weise bekämpft. Wenn jemand hinter dem DJ Pult blöd kommen will, wird das nicht passieren. Das ist mein Reich. Also verpiss dich oder zieh die die Schuhe aus.

[alle lachen]

LF: Ich habe letztes Jahr in Berlin aufgelegt als DJ Kaos ankam und mir so etwas sagte wie: „Oh, du machst das ja echt ganz gut". Und mir auf den Hintern tätschelte. Da habe ich rot gesehen. Eine halbe Stunde später kam er wieder und sagte: „Du solltest wirklich ein wenig Frankie Knuckles spielen, das wird die Menge anheizen." Und ich denke, er hat mir wieder auf den Hintern getätschelt. Ich war bereit, ihm den Marsch zu blasen, aber als ich mit meinem Set fertig war, war er weg. Also habe ich mich natürlich an Facebook gewandt. [lacht] Ich habe einfach nüchtern aufgelistet, was passiert ist. Dieser Post fand wahnsinnig viel Beachtung und fiel letztendlich auf ihn zurück. Anscheinend hat er ein paar schlimme Dinge über mich gesagt. Aber ein paar andere weibliche DJs haben mir geschrieben und gesagt, dass er mit ihnen den gleichen Scheiß abgezogen hätte und sie nie wieder mit ihm gespielt hätten. Dieser Typ ist einfach ein Idiot.

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Ich denke, es ist so wichtig so etwas anzusprechen und diese Leute an den Pranger zu stellen. Ich stelle die Arschlöcher gerne bloß. Wenn es anfängt, ihr Einkommen und ihre Zukunft zu beeinflussen, fangen sie an, zu realisieren, dass es nicht richtig ist.

EO: Die einzig schlimme Erfahrung, die ich hatte, war mit einer Drag-Queen, was an sich schon kompliziert ist. Ich war Resident DJ bei Clump, einer Party, die von Colin Self veranstaltet wird. Colin war bei der Veranstaltung nicht da und ich habe die Sachen organisiert. Als ich am Ende das Geld gezählt habe, hat diese Drag-Queen, die ziemlich besoffen war, sich darüber ausgelassen, dass er ja so viel mehr Leute als ich zur Veranstaltung gebracht hatte und das seine Girls, also die anderen Drag-Queens der Grund wären, warum die Leute kämen. Dass ich es im Prinzip gar nicht verdient hätte, bezahlt zu werden.

Das war ziemlich kompliziert, denn obwohl er sich als Frau angezogen und als solche definiert hat, hat er an dieser Stelle seine physische Aggression als Mann genutzt, um mich einzuschüchtern und zu diskriminieren. Ich denke wirklich, dass das seine eigene Version von Sexismus war, die er selbst nicht komplett verstanden hat.

Es war also halb fünf morgens und dieser 1,90 Meter-Typ in High Heels schreit mich an. Das erste mal in meiner Laufbahn als DJ konnte ich mich nicht zur Wehr setzen. Ich habe angefangen zu heulen. Am Ende habe ich dort aufgehört. Letztendlich hat er sich entschuldigt—bei Colin. Nicht bei mir.

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Ich will über die Darstellung weiblicher DJs in den Medien sprechen. Ich bin sicher, dass alle von euch die Blog Posts darüber gesehen haben, wie beschissen Paris Hilton als DJ ist. Bei Dancing Astronaut wurde vor kurzem ein Video von einem kolumbianischen Model-DJ gepostet, die „nichts macht", das viral ging. Es gibt keinen Zweifel, dass Paris Hilton und viele Model-DJs nichts können. Aber diese „Enthüllungs-"posts sind traurigerweise die wenigen Male, bei denen über weibliche DJs berichtet wird—und das ist gefährlich, denke ich.
CT: Das bekannteste Bild eines weiblichen DJs ist Alexa Chung hinter den Tellern. Aber warum siehst du nicht zum Beispiel Shannon von Light Asylum in den Medien, die hinter den Decks abgeht? Es geht immer um das hübsche Gesicht. Aber das sollte es nicht.
EO: Der Mainstream wird keine Frau, die Geschlechterrollen herausfordert, ins Rampenlicht stellen.

Richtig, und die Kritik scheint sich einhellig auf Frauen zu fokussieren, was das Klischee am Leben erhält. Als die Swedish House Mafia dabei erwischt wurde, ohne Kopfhörer aufzulegen, haben ihnen alle den Vertrauensbonus gegeben und gesagt: „Oh, die müssen fertig gemixte Sets nutzen, weil sie so viele Special Effects bei ihren Shows haben" usw.
EO: Na ja, kennst du diesen Jersey Shore-DJ Pauly D? Ich habe das Gefühl, dass es auch Männer gibt, die als DJ überhaupt nicht ernst genommen werden. Selbst über Skrillex, der unglaublich berühmt und talentiert ist, wird sich ununterbrochen lustig gemacht. Aber bei Frauen geht es eher auf dieses „dummes Blondchen"-Ding zurück.
FDH: Ich denke für die ganzen Model-DJs ist es schwer, im Gespräch zu bleiben. Das ist ein ganz anderer Kampf. Sie sind vielleicht glamouröser und verdienen mehr Geld, aber gleichzeitig ist es auch scheiße. Eine Freundin von mir ist DJ in einem Hotel und sie sagt, dass ihre Karrieren ziemlich kurz sind—wenn dein Stil einmal aus der Mode kommt, musst du dir sagen, OK, ich glaube, es ist vorbei—und das ist es dann.
EO: Ich kenne ein paar Model-DJs und die sagen: „Oh wow, du legst mit Platten auf? Das ist so cool!" Es ist also nicht so, als wüssten sie nicht, was wir machen, und dass es ihnen egal ist. Sie wissen einfach, dass wir aus verschiedenen Welten kommen.
FDH: Frauen nehmen einfach diese Vorstellung an, dass wir uns gegenseitig hassen und miteinander konkurrieren müssen. Das muss einfach aus den Köpfen raus.

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Was ist mit den jungen Frauen, die sich die Charts und die Top 100 DJ-Liste ansehen und nur Männer sehen? Sie leben in keinen unterstützenden Strukturen, die ihnen sagen, dass es dort draußen andere Realitäten gibt. 
FDH: Na ja, das ist der Grund, warum wir bei Discwoman die Sadie Nash Stiftung miteinbeziehen. Sie hilft, den jungen Frauen zu zeigen, dass sie das, was sie machen, kreativ tun können, ohne wie Paris Hilton werden zu müssen.

Viele andere weibliche DJs, mit denen ich gesprochen habe, hassen Dinge nur für oder mit Frauen. Sie sind es leid, darüber zu reden.
LF: Ich bin sehr wählerisch bei diesen Sachen, bei denen nur Frauen dabei sind, weil du dich letztendlich nur selbst verkriechst.
EO: Ich denke das kann gefährlich sein. Oh, wir sind ein Club nur für Frauen. Um ein Ungleichgewicht in der Gesellschaft zu beheben, darf man nicht exklusiv sein. Ich will sichergehen, dass auch Männer zu diesen Veranstaltungen kommen wollen. Es ist auch wichtig für mich, dass wir „weiblich identifizierend" sagen, denn ich kenne ein paar großartige weibliche DJs, die nicht als Frauen geboren wurden.

OK, vor diesem Hintergrund, warum gibt es Discwoman?
EQ: Bei allen technischen Sachen—und ich denke Auflegen ist eine technische Fähigkeit—kann es besonders für Frauen einschüchternd sein, wenn sie daran denken, das zu machen. Discwoman ist also ein freundlicherer Weg sie zu ermutigen. Ich stelle mir vor, wie all diese jungen Frauen denken, dass das cool ist.
LF: Wir versuchen den Gender-Gap auszubalancieren und Licht in eine wichtige Angelegenheit zu bringen. Aber das ist nicht das Einzige, was wir tun, nur eine der vielen Sachen.
CT: Denk immer daran, deine Schuhe auszuziehen, wenn du in der DJ-Kabine stehst!

Michelle Lhooq wird mit dem Alter eine immer besser Feministin (sie ist außerdem Redakteurin bei Thump) - @MichelleLhooq

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