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Make America even greater: WestBam remixt „Trump“

„Wir brauchen ganz tolle Drogen, und die möglichst schnell!“ Warum es der Berliner nun mit dem US-Präsidentschaftskandidaten aufnimmt.

Der Widerstand ist weiterhin groß, aber die Bewerber für das Rennen um die nächste US-Präsidentschaft stehen so gut wie fest: Auf der einen Seite der zügellose Republikaner Trump, auf der anderen Seite die nun auch nicht gerade überzeugende, Investmentbanken gestützte Demokratin Clinton. Schon jetzt ist die kommende Wahl das Medienereignis des Jahres in der westlichen Welt. Selbst hier in Europa fällt es schwer, die Füße still zu halten und den Tanz der zwei Scheinalternativen regungslos zu ertragen. Den DJ, Produzenten, Buchautoren, Labelboss und Veranstalter WestBam hat das Ganze nicht mehr kalt gelassen. Der umtriebige Künstler gönnte sich kurz eine Pause an den Arbeiten für sein neues Album, das im Herbst erscheinen soll, und nahm sich der Figur Trump musikalisch an.

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„Trump ist der Allerletzte, der an dem jetzigen System etwas ändern möchte", sagt WestBam. Sein Stück „Trump" basiert—wie zuvor bereits ein weiterer Track des Kollegen Remute—auf einer Rede der wandelnden Föhnfrisur aus dem Mai 2015, in der sich dieser besonders über Mexikaner ausgelassen hatte. Genüsslich nimmt der Produzent nun den hetzerischen Wahn des Redners auseinander und setzt ihn nicht weniger erschreckend neu zusammen.

Oben kannst du dir zum ersten Mal das Ergebnis ansehen. Wir haben nachfolgend zudem mit WestBam (alias Maximilian Lenz) über den Wahlkampf, die US-Kultur und die deutsche Politik gesprochen.

Max, wie fällt deine Einschätzung der derzeitigen politischen Lage aus?
Es ist wie in der Musik: Wir werden alle radikaler, keiner will mehr Mainstream sein. Die paar Leute in der Mitte taumeln von links nach rechts. Überall ist man übererregt und schreit nach konsequenten Lösungen für Probleme, die so kompliziert sind, das man sie kaum noch benennen kann. Was die USA betrifft: Da wäre in der Konsequenz die interessantere Wahl auch diejenige zwischen Trump und Sanders.

Warum?
Zwischen Trump oder Sanders hat man eine glasklare Wahl. Das US-Wahlsystem ist nach dem Nimm-das-oder-nimm-dies-Prinzip aufgebaut, was ich für besser als das deutsche Verhältniswahlrecht halte.

Was stört dich an Letzterem?
Hier wählt jeder seins und am Ende wird irgendeine Koalition gebildet und jemand behauptet: Der Wähler hat entschieden! Aber niemand hat für eine solche Koalition gestimmt. Das steht ja gar nicht zur Wahl. Dieses System ist völlig unberechenbar. Jahrzehnte lang entschied das Koalitionsverhalten der FDP darüber, wer regierte. Die Frustration mit den ewigen Großen Koalitionen stärkt klarerweise die Ränder. Aber selbst jemand der die AfD wählt, wählt die größtenteils auch nicht aus dem Herzen heraus, sondern aus Genervtheit. Und er weiß, dass es wohl nichts bringt, weil die Partei eh keine absolute Mehrheit erzielt. Damit hat praktisch jeder das Gefühl, keine wirkliche Wahl zu haben—und das ist ein scheiß Gefühl.

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Dennoch hast du für deinen neuesten Song keine Rede von Petry, Merkel oder Gabriel, sondern von Trump geremixt.
Das war für mich letztlich eine ästhetische Entscheidung. Der Weltungeist verkörpert sich in der amerikanischen Version der Person Trump auf einer höheren Stufe als in der Person Frauke Petry. Man muss nicht weit übertreiben um Trump zur totalen Kunstfigur zu stilisieren. Bei mir sagt er: „Wir brauchen Kriminalität! Wir brauchen Vergewaltiger! Wir brauchen ganz tolle Drogen, und die möglichst schnell!" Und aus diesem künstlerischen Schritt entsteht dann der zweite, der politische, der fragt: Was ist eigentlich verkehrt mit der Welt, dass sich so jemand ernsthafte Hoffnungen machen kann, der nächste US-Präsident zu werden?

Seine zahlreichen Unterstützer scheinen Trump trotzdem für recht vernünftig zu halten.
Wenn die Leute mal eins und eins zusammenzählen und darüber nachdenken, wie, wo und mit welchem System Trump sein Geld gemacht hat, dann ist es geradezu ein Aberwitz, dass die weißen armen Verlierer jetzt denken, Trump könnte ihr Retter sein. Klar, die wollen vielleicht auch so sein, wie er, und auf alle anderen scheißen, aber dass ihre Armut die natürliche Konsequenz seines Reichtums ist, und dass Donald Trump der Allerletzte ist, der an diesem System etwas ändern möchte, liegt auf der Hand. Es ist ein klassischer Fall von: „Lasst uns den Bock zum Gärtner machen."

Aber der Song soll wohl kaum diese Leute direkt ansprechen, oder?
Ich finde, der Irrsinn des Trump wird bei mir noch klarer und hochauflösender. Nun ist natürlich die goldene Frage: Darf man über so etwas lachen? Ich denke schon. Trump ist doch wirklich zum schießen komisch. Vielleicht müsste man politisch aktiv werden und gegen alles Propaganda machen. Aber dafür bin ich zu sehr Künstler. Ich will vor allem immer übertreiben. Und du kannst auch alles von Gauland über Putin und UKIP bis hin zum Kaczynski in Polen mit einer amerikanischen Figur erzählen. Dort ist das alles, was anderswo stattfindet, vorhanden, nur eben wunderbar amerikanisch überzogen.

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Pop-Musik—und der elektronischen Musik im Speziellen—hängt der Ruf an, unpolitisch geworden zu sein. Ist dein Lied auch eine Antwort darauf?
Im Fall des Songs interessiert mich die philosophische Existenz eines Donald Trump mehr, als die Leute vor Trump zu warnen. Je länger ich das alles aber beobachte, desto klarer wird mir, wie falsch ein Gedanke ist, der lautet: Pop sei unpolitisch. Im Gegenteil: Jede Pop-Kultur ist immer ein Ausdruck davon, wie sich Leute gesellschaftlich fühlen, wovon sie träumen, was sie wollen. Und viel politischer kann es nicht mehr werden. Auch deutscher Schlager ist politisch. Er ist Ausdruck einer Befindlichkeit. Das zu hören, ist nichts Anderes, als das AfD Wahlprogram zu lesen.

Als ich eben vom politischen Verfall sprach, musste ich auch die Entwicklung der Loveparade denken …
Das Fass müssen wir jetzt nicht noch mal aufmachen, aber in Berlin war die Idee, dass sich der Westen mit seiner Freizügigkeit, mit seiner Liberalität, seiner Fortschrittsgläubigkeit durchgesetzt hatte, am virulentesten. Die war die Mauer gefallen und bla, bla, bla … Die Loveparade war da der perfekte Soundtrack und das perfekte Schauspiel dafür. Irgendwann haben wir dann mit 9/11 und Bin Laden gemerkt, dass unsere Werte eben nicht die ganze Welt beglücken, dass Techno und technischer Fortschritt keinen Weltfrieden erreichen werden. Im Gegenteil: Da steht dann ein Selbstmordattentäter auf deiner Party und sagt: Ich habe auf euer Nackig-Machen, auf eure Freizügigkeit keinen Bock.

Du arbeitest aktuell auch an einem neuen Album. Kendrick Lamar, Drake und Busta Rhymes sollen darauf zu hören sein. Der Trump-Song allerdings nicht. Dennoch: Wird es eine Reflexion der Amerikanischen Gegenwartskultur?
Das ist fast schon lustig, dass du das sagst, denn da habe ich mir bereits Gedanken zu gemacht. Allerdings kann ich die aktuell noch gar nicht verraten. Das reicht über dieses Album weit hinaus. So oder so: Eine richtige Ideologie meiner Arbeit wird mir immer erst im Nachhinein klar, wenn etwas bereits fertig ist. Aber wenn ich eine neue LP mache, frage ich mich zumindest abstrakt durchaus: Was will ich eigentlich Neues machen? Da ist immer auch der Wunsch, zu überraschen, zu irritieren, Auseinandersetzung zu provozieren.

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