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Michail Stangl hat zusammen mit Boiler Room Kultstatus erreicht—sogar als Meme

Ein halbes Jahrzehnt Underground: Boiler Room wird fünf Jahre alt.

Es begann im ungenutzten Heizungskeller des Platform-Büros in London: Blaise Bellville und ein paar Freunde bauten Decks und Lautsprecher auf—und eine Webcam, die das Ganze auf Ustream sendete. Fünf Jahre ist es her, dass der Boiler-Room-Gründer die beiden DJs Thristian Richards und Femiy Adeyemi eingeladen hat, für sein Online-Magazin Platform das erste Boiler-Room-Set zu spielen—und das Format kam gut an. Der Nächste auch. Es entwickelte sich eine wöchentliche Show, die von dem Streamingdienst unterstützt wurde und jede Menge Zuschauer anzog. Plötzlich hatte jeder Mensch mit Internetanschluss die Möglichkeit, sich ein kleines, privates DJ-Set nach Hause zu holen.

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Jetzt, ein halbes Jahrzehnt später, feiert Boiler Room seinen Geburtstag. Fünf Jahre, fünf Städte: New York, Tokyo, London, Los Angeles und Berlin. Die Musikplattform für den Online-Underground hat inzwischen auch einiges vorzuweisen: In über 50 Städten gab es bisher Veranstaltungen, von Partys in Richie Hawtins privater Villa auf Ibiza bis hin zu szenebekannten Festivals, wie dem Dekmantel in Amsterdam.

Wir haben, Michail Stangl, den deutschen Host gefragt, wie er seine Zeit im Boiler Room empfunden hat:

THUMP: Der Slogan der 5-Jahres Party lautet „The Underground Lives Online". Kann man sich mit 1,5 Millionen Zuschauern wirklich noch als Underground bezeichnen?
Michail Stangl: Underground ist in meinem Verständnis eine Frage der Attitüde und des Spirits. Es ist die Art und Weise, wie man mit Musik und der Kultur umgeht und diese formiert. Underground ist also keine Frage der Reichweite. Nur weil wir mit bestimmten Themen weltweit ein Millionenpublikum erreichen, stellt das Underground nicht in Frage. Underground bedeutet nicht mehr, dass es lokal und unter dem Radar der Medien stattfindet, heutzutage wird alles dokumentiert und archiviert. Das Underground eine lokale Szene ist, die du nur entdecken kannst, wenn du in die Stadt fährst und die richtigen Leute und die richtige Location kennst, ist eine Sache der Vergangenheit. Wenn du dir anschaust, für wen wir das machen, wirst du feststellen, dass es die Leute sind, die für Underground-Kultur leben, die diese Musik hören, feiern und auch kaufen. Allerdings sind sie oft geografisch und finanziell in einer Position, dass bei ihnen nie eine Nina Kraviz spielen wird, weil es bei ihnen keine Clubkultur oder die entsprechende Infrastruktur gibt. Das ist dann ein Beweis dafür, dass das, was wir mit Boiler Room machen, gerade für die Underground-Kultur wichtig ist. Wir fassen all diese Leute mit einem Kanal zusammen und ermöglichen es ihnen, sich zu verbinden.

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Erst durch diese Internationalität wurde Boiler Room auch so groß. Wie hast du das aus Berliner Sicht miterlebt?
Ich bin nicht seit Anfang an bei Boiler Room dabei, allerdings war es schon immer ein persönliches Thema für mich als Veranstalter und Musikfan. Ich habe Boiler Room von Anfang an geguckt und es ist mir relativ schnell klar geworden, was gezeigt wurde: Das London, das für Boiler Room interessant war. Vorher gab es das nicht online, und das ist mir auch aufgefallen, als ich mir die Berliner Szene angesehen habe. Berlin war zu dieser Zeit durch Themen und Sounds bekannt, die nicht repräsentativ für die Berliner Musiklandschaft waren. Und genau diesen Zugriff, eine authentische Dokumentation eines bestimmten Kulturfragments, aus der Innenansicht Berlins zu haben, hat dazu geführt den Boiler Room nach Berlin—oder Berlin in den Boiler Room—zu bringen. Wenn es um elektronische Musik geht, ist Berlin ein weltweiter Referenzpunkt. Wir haben am Feedback und an dem Zuspruch gemerkt, dass das Interesse am Berliner Boiler Room exponentiell gestiegen ist. Ich habe das erste Mal gemerkt, dass wir weltweite Aufmerksamkeit genießen, als ich in Tokyo auf der Straße gefragt wurde, ob ich denn nicht der Boiler-Room-Moderator sei. Das hat wenig mit dem Celebrity-Aspekt zu tun, sondern eben viel mehr mit der Kultur, die international lebt. Das ist das Wunderschöne dabei.

Zu Boiler Room und gerade zu dir als Bezugsperson hat sich online auch eine Meme-Kultur entwickelt. Findest du das gut?
Solange es guter, humorvoller Umgang ist. Junge Leute aus dem Publikum sind digital aufgewachsen und gehen mit den Medien anders um, als Leute vor zehn Jahren. Damals wären nur Kommentare in Foren und Screenshots möglich gewesen und jetzt gibt es eben andere Umgangsformen mit dem Material. Ich finde solche Sachen tendenziell grandios, zum Beispiel das „Ben Klock - Being Boiled"-Video ist unglaublich gut. Solange es kein Hate gegenüber Künstlern oder den Leuten, die zu sehen sind, ist, finde ich das ehrlich gesagt alles lustig. Ohne Selbstironie kommst du ohnehin gar nicht durch den Tag. Ich habe auch generell kein Problem damit, dass ich selbst zu einem Meme werde. Das gehört halt zur Medienumwelt.

Inzwischen verbreitet ihr online selbst redaktionelle Inhalte. Inwiefern bezeichnet ihr euch selbst als Musikberichterstatter?
Als wir Boiler Room gestartet haben, waren wir fünf Leute. Drei oder vier in London und ich in Berlin. Da konnten wir außer unseren Live-Aufnahmen nicht viel anderes leisten. Aber, im Endeffekt ist es unser Ziel, unser Verständnis von Musikkultur so ganzheitlich wie möglich abzubilden. Das bedeutet auch, Kontext zu all den Sachen zu generieren, die bei Boiler Room passieren. Ein DJ-Set oder eine Live-Performance ist eine Sache, aber du möchtest den Leuten auch die Möglichkeit geben, tiefer in die Materie einzutauchen. Wir merken auch, dass wir durch Boiler Room komplett neue Musikwelten aufmachen können, da sich eben diese 1,5 Millionen Zuschauer aus den Techno-Leuten, aus den HipHop-Leuten, aus den Beats-Leuten, aus Drum & Bass und aus Avantgarde zusammensetzen. Diese Überschneidung hilft Leuten, Welten zu entdecken. Jetzt haben wir dazu noch die Möglichkeit, Kontext zu liefern. Das wird auch gut angenommen.

Kannst du nach 5 Jahren Boiler Room ein Zwischenfazit ziehen?
Das Schöne ist, zu sehen, dass Interesse an der Musik da ist. Sowohl vom Publikum, als auch von Künstlern. Dieses Interesse ist ehrlich und dementsprechend ist das Fazit, dass wir niemals geglaubt hätten, dass daraus so etwas Großes wird. Im Endeffekt geht es nicht um Boiler Room selbst, wir sind nur der Kanal. Wenn sich talentfreie Musiker in die Charts einkaufen können, ist es gut zu sehen, dass du mit zwei Turntables und einer Plattensammlung aus dem Keller in Berlin eine ähnliche Reichweite erreichen und einen Impact erzeugen kannst. Wir machen jetzt auch viel andere Musik, klassische Musik zum Beispiel, weil wir denken, dass andere Leute das auch spannend finden. Wir waren bisher in 50 Städten und haben dennoch bisher nur einen kleinen Teil davon abgebildet, was wir eigentlich abbilden möchten. Die Reise hat für uns also gerade erst angefangen.

5 Years of Boiler Room findet am 05. November statt. Mehr Infos dazu hier.