Eine Hand mit langen Fingernägeln hält zwei Streifen LSD-Papiere, immer mehr Menschen nehmen im Club lieber psychedelische Drogen als Speed, Kokain oder Ecstasy.
Alle Fotos: Chris en Marjan
Drogen

LSD statt Koks: Psychedelika erobern die Clubs

"In der Woche nach der Party hatte ich keinen Kater. Ich fühlte mich so gut wie lange nicht mehr."

Vergangenes Jahr im Februar war ich auf dem Weg zu einem Warehouse-Rave in London, als ich mich plötzlich unwohl fühlte. Ich sagte der Freundin, mit der ich unterwegs war, dass ich nichts trinken oder nehmen will, wovon ich einen Kater kriegen könnte. Zwei Jahre Pandemie und eine frische Trennung obendrauf hatten mir ziemlich zugesetzt. "Willst du vielleicht ein bisschen Acid probieren?", fragte sie und bot mir ein Viertel einer LSD-Pappe an – etwa 25 Mikrogramm, wie sie meinte. Ich wollte.

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Auf der Party nahm ich dann Geräusche und Lichter intensiver wahr, aber ich halluzinierte nicht. Ich war gut gelaunt, gesprächig und generell fröhlich. Aber dann wurde mir alles zu viel.


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Plötzlich hatte ich das Gefühl, dass ich versuchte, mich durch eine Welle unkontrollierbarer Emotionen durchzulächeln, die das LSD losgetreten hatte. In einem Raum voller feiernder Leute fühlte ich mich sehr einsam. Es war nicht das, was ich auf der Tanzfläche erleben wollte, aber ich entschied mich dazu, es einfach geschehen zu lassen. Nach ein paar Stunden machte etwas in mir Klick: Ich bin nicht wirklich allein, ich habe immer mich selbst.

In der Woche nach der Party hatte ich keinen Kater. Nein, sogar das Gegenteil: Ich hatte etwas Wichtiges verarbeitet und fühlte mich so gut wie lange nicht mehr. Diese neue Art auszugehen war eine Art Offenbarung für mich.

Ich bin nicht allein

Seitdem habe ich immer mehr Menschen kennengelernt, die auf Partys lieber Psychedelika statt Stimulantien nehmen. Ton Nabben, ein Kriminologe und Drogenforscher von der Hogeschool van Amsterdam, sagt, dass die wachsende Verbreitung psychedelischer Drogen in Clubs, insbesondere in der niederländischen Clubszene, vor allem damit zu tun habe, dass in den vergangenen Jahren vermehrt an diesen Substanzen geforscht wurde.

Dank der steigenden gesellschaftlichen Akzeptanz fühle es sich auch nicht mehr so gefährlich an, diese Drogen im Club zu nehmen. "Die Leute waren früher sehr vorsichtig, weil sie Angst hatten, zu sehr zu trippen", sagt Nabben. "Aber heutzutage experimentieren die Menschen mit kleineren Dosen. Das erlaubt ihnen, sie in verschiedenen Settings zu nehmen oder sie mit anderen Substanzen zu kombinieren."

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Außerdem seien manche Menschen, die bereits sehr mit der Wirkung von Ecstasy und anderen Partydrogen vertraut sind, auf der Suche nach neuen Erfahrungen. "Die Erlebnisse auf Psychedelika können vielschichtiger sein, sie stellen viele verschiedene Dinge mit deinen Sinnen an", sagt Nabben. "In einem Clubsetting können diese Drogen neue Herangehensweisen eröffnen." 

Die zunehmende Verbreitung von Psychedelika sagt vielleicht auch etwas über die Zeit, in der wir leben. "Wir mussten eine Menge aushalten", sagt Nabben. "Manche nehmen Psychedelika, um Antworten auf ihre Ängste zu finden und besser zu verstehen, was um sie herum passiert."

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Isabel | Foto: Chris & Marjan

Die 29 Jahre alte Isabel arbeitet für den Nachtburgemeester Amsterdam, eine Stiftung, die sich um alle Belange des Nachtlebens in der niederländischen Metropole kümmert und im engen Austausch mit dem Stadtrat steht. Wie andere Personen in diesem Artikel möchte sie nicht ihren vollen Namen nennen. Wenn Isabel ausgeht, nimmt sie in der Regel zwischen einer viertel und einer halben Pappe LSD. Sie fühle sich dann fröhlicher und mehr präsent im Augenblick, sagt sie.

"Ich erlebe die Musik und Lichter intensiver und habe bedeutsamere Unterhaltungen", sagt Isabel. "Es ist sehr anders für mich als Ecstasy. Das macht mich nämlich ziemlich verschlossen." Außerdem bekomme sie vom LSD nicht den körperlichen und emotionalen Kater, der sich in der Woche nach dem Konsum von Pillen einstellt. Sie fühle sich sogar richtig gut. "Das ist umso schöner, weil ich gerne viel ausgehe."

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Nick ist 28, DJ und lebt in Amsterdam. Im vergangenen Jahr hat er in Clubs öfter Shrooms genommen.

"Als ich zwölf war, haben sich meine Eltern scheiden lassen und es gab eine Menge Spannungen bei uns zu Hause", sagt er. "Eine Zuflucht bestand für mich darin, schon sehr jung bei einem Gabberfestival aufzulegen." Der frühe Kontakt mit der Szene, in der Alkohol und andere Drogen weit verbreitet sind, hatte Folgen. "Irgendwann habe ich begonnen, viel zu trinken. Dazu kamen dann noch Substanzen wie Kokain, welches sich stark auf meine Psyche ausgewirkt hat." Nicks Drogenproblem hielt an, bis er 24 wurde und sich professionelle Hilfe suchte. 

Neben seiner Therapie nahm Nick an Ayahuasca-Zeremonien teil und begann, Psychedelika zu microdosen – also in so geringen Mengen zu nehmen, dass man die Wirkung nicht bewusst wahrnimmt. Heute microdosed er auch, wenn er in Clubs auflegt. "Partys können kein Eskapismus mehr für mich sein. Sie sind mein Leben, mein Job, meine Art, mich auszudrücken, und der Ort, an dem ich meine Freunde treffe", sagt er. "Psychedelika helfen mir dabei, das Gleichgewicht in meinem Leben zu halten, damit ich mich nicht in den Partys verliere."

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Nick | Foto: Chris & Marjan

Die Kunststudentin Ruby mag Psychedelika bei Partys, weil sie bemerkt hat, dass sie dadurch entspannter wird als durch andere Drogen. Die 25-Jährige hat mit Substanzen wie 2C-B, LSD, DMT und Rapé experimentiert. Letzteres ist eine Pflanze aus dem Amazonas, ähnlich wie Tabak, aber viel stärker. In den vergangenen drei Jahren hat Ruby aber vor allem psychoaktive Trüffel genommen.

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"Sie helfen mir, mich von meinen Gedanken zu lösen und mehr Dinge zu fühlen", sagt sie. "Ich fühle mich ruhig, zufrieden und habe mehr Mitgefühl mit mir selbst und anderen Menschen." Die Trüffel würden ihr auch dabei helfen, weniger Zigaretten zu rauchen und besser mit nervigen Partysituationen wie langen Kloschlangen oder anstrengenden Unterhaltungen umzugehen. "Mit Trüffeln ist es leichter, über diese Dinge hinwegzuschauen."

Ruby sagt, sie benutze Psychedelika vor allem zum Spaß, aber auch zur Selbsttherapie. Immer bevor sie ausgeht, hält sie kurz inne, um in sich hineinzuhorchen, wie sie sich fühlt und was sie von dem Abend erwartet. Sie stellt sich selbst Fragen wie: "Warum will ich ausgehen und was möchte ich vermeiden? Gibt es etwas, das mir Sorgen macht? Wie wild soll es heute werden?"

Die Kunststudentin glaubt, dass der bewusstere Drogenkonsum ihr dabei geholfen hat, ihr Leben besser im Griff zu haben. "Natürlich lasse ich hin und wieder auch gerne mal los. Manchmal kombiniere ich LSD mit ein bisschen Ecstasy oder MDMA, um mich komplett zu verlieren", sagt sie. "Aber gleichzeitig habe ich immer viel zu tun. Deswegen sind Trüffel eine gute Wahl, sie verursachen keinen Kater oder Hänger und geben mir dafür aber viel." 

Isabel vom Nachtburgermeester sieht das ähnlich. "Wenn man fünf Tage die Woche arbeitet und zwei-, dreimal im Monat ausgeht, sind andere Substanzen körperlich und psychisch einfach nicht nachhaltig", sagt sie. "Psychedelika helfen mir dabei, eine lustige und nachhaltige Work-Party-Balance zu finden."

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Ruby | Foto: Chris & Marjan

Kriminologe Nabben weist allerdings darauf hin, dass diese Substanzen trotz ihrer positiven Eigenschaften weiterhin potenziell gefährlich sind. "Es sind immer noch Psychedelika", sagt er. "Sie stellen deine Welt auf den Kopf. Man liest immer mal wieder in den Nachrichten von schrecklichen Unfällen. Diese Dinge passieren. Man kann eine Psychose bekommen oder zu viel nehmen und in einen Panikmodus kommen." Einen sogenannten Horrortrip.

Psychosen und Manien sind hochchaotische psychische Zustände, die bei Menschen mit einer entsprechenden Veranlagung durch psychedelische Drogen ausgelöst werden können.

"Was die körperliche Schädigung angeht, sind Psychedelika allerdings nicht so schlimm wie Alkohol oder Kokain", sagt Nabben. Das Risiko einer Sucht sei bei klassischen Psychedelika wie Pilzen oder LSD sehr gering. Auch wenn sie vorübergehend den Herzschlag oder die Körpertemperatur erhöhen, sind ernsthafte Nebenwirkungen wie lebensgefährliche Überdosen eher unüblich.

Ruby, die bereits negative Erfahrungen mit LSD gemacht hat, beschreibt diese schlechten Trips als emotionale Tortur. "Wenn es vorbei ist, wird dir klar, dass du aus den Trips etwas lernen kannst. Alles, was du gesehen oder gefühlt hast, war nämlich bereits in dir", sagt sie. "Manche Dinge sind unheimlich, aber haben eine tiefere Bedeutung. Ich habe dadurch gelernt, dass Psychedelika einem den Spiegel vorhalten."

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