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Tierschutz

Die Schweiz könnte aus Versehen geschächtetes Fleisch verbieten

Ein Politiker wollte gestopfter Gänseleber und Froschschenkeln an den Kragen. Das könnte jetzt auch zum Problem für praktizierende Juden und Muslime werden.

Fleisch aus tierquälerischer Produktion soll in Zukunft in der Schweiz nicht mehr auf dem Teller landen, dafür soll ein Importverbot sorgen, das vom sozialdemokratischen Abgeordneten Matthias Aebischer vorgeschlagen wurde. Am 7. Juni nahm der Nationalrat die Motion überraschend an. Jetzt muss die Schweizer Regierung das Anliegen in ein Gesetz formulieren. Wenig Freude mit der Idee hatten Feinschmecker aus dem französischsprachigen Teil der Schweiz: Die Motion will auch den Import von Froschschenkel und Stopfgänseleber verbieten. Besonders Letzteres essen Westschweizer gerne zu Weihnachten und fürchten jetzt um ihre Weihnachtsgans. In der Schweiz selbst ist die umstrittene Gänsemast durch Stopfen sowieso verboten.

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Während alle über die drohende kulinarische Staatskrise redeten, ging etwas unter: Auch praktizierende Juden und Muslime könnten Probleme mit dem neuen Gesetz bekommen. Weil das Schächten (das Schlachten durch Ausbluten ohne Betäubung) in der Schweiz seit 1893 verboten ist, muss koscher und halal produziertes Fleisch in der Schweiz importiert werden. Weder der Abgeordnete hinter dem Anliegen, noch die Organisation Alliance Animale, die ihm bei der Motion half, erwähnten jemals ein Schächtverbot. Jetzt wurde klar: Auch geschächtetes Fleisch soll verboten werden. "Es steht ausser Frage, dass Halal- und Schächt-Fleisch zu den tierquälerisch hergestellten Produkten zählen, deren Import verboten werden muss", sagte Katharina Büttiker von der Alliance Animale gegenüber dem Tagesanzeiger.

Zwar beschwichtigt der Abgeordnete Aebischer gegenüber dem Tagesanzeiger, dass es im Tierschutzgesetz schon heute eine Ausnahmeklausel gibt, die Juden und Muslimen den Import von geschächtetem Fleisch erlaubt – fühlt sich aber nicht dafür verantwortlich beim neuen Gesetz eine solche Ausnahme vorzuschlagen. Ob die Schweizer Regierung ein solches Verbot zulassen würde, ist fraglich, nachdem sie 2016 sagte, dass ein Importverbot für islamisches Halal- oder jüdisches Schächtfleisch gegen WTO-Abkommen verstossen würde. Für viele Muslime sei die Betäubung vor der Schlachtung heute sowieso vereinbar mit ihren Essensvorschriften, meint Farhad Afshar von der Koordination Islamischer Organisationen Schweiz gegenüber 20 Minuten.

"Es ist sowieso umstritten, wie qualvoll die Schächtung ist", findet die 22-jährige Basler Jüdin Susan Reznik. "Und auch wenn viele junge Juden es nicht so streng nehmen mit koscherem Essen, sollte es wenigstens beim Import eine Ausnahmeregelung für praktizierende Juden in der Schweiz geben." Sie befürchtet, dass sich sonst ein Schwarzmarkt entwickeln könnte.

Jetzt muss also die Schweizer Regierung entscheiden, ob sie den Tierschutz oder die Religionsfreiheit höher gewichten will.

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