Ein Tablett, auf dem ein Unterkiefermodell mit Ecstasy-Pillen liegt, junge Ärzte erzählen, wie sie jedes Wochenende in Clubs gehen.
Foto: VICE
Drogen

Interviews mit jungen Ärzten, die jedes Wochenende Koks, MDMA oder Speed nehmen

"Ich erlebe so viele schwierige Situationen bei der Arbeit, sehr viel Leid. Wenn dann das Wochenende kommt, denke ich mir: 'Scheiß drauf, ich muss das alles mal für ein paar Stunden vergessen.'"
Romain Vennekens
Brussels, BE

Vor Kurzem habe ich einen jungen Arzt kennengelernt. Aber nicht in einer hellen Praxis, sondern im dunklen, chaotischen Getümmel eines Clubs. Wir haben uns sofort gut verstanden und ich fing an, mit ihm und seiner Crew auf Partys zu gehen. Und da hat mich überrascht – und ein bisschen erschrocken –, wie hart er und seine Kollegen feiern.

Als ich dann eines Montags mal wieder still auf meiner Couch vor mich hin litt, musste ich an ihn und seine Freunde denken, die sich wahrscheinlich gerade um Patienten kümmern mussten, obwohl es ihnen genauso scheiße ging. Plötzlich kam ich mir ein bisschen dumm vor, so lange an das Klischee der unfehlbaren Götter in Weiß geglaubt zu haben.

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Natürlich will niemand daran denken, dass die Person, die gerade der geliebten Oma das Leben rettet, ein paar Stunden zuvor noch mit handtellergroßen Pupillen über die Tanzfläche eines stickigen Technoclubs geflogen ist. Aber die Wahrheit ist: Ärzte sind Menschen wie wir. Und haben dazu einen verdammt stressigen Job. Außerdem wissen sie sehr genau, was verschiedene Drogen mit dem Körper anstellen können. Wissen sie also vielleicht auch, wie man Drogen nimmt, ohne seinem Körper zu sehr zu schaden?


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Ich habe mit vier jungen Ärztinnen und Ärzten gesprochen, die gerne und viel ausgehen. Sie sagen, Drogenkonsum sei im medizinischen Bereich ziemlich üblich. Weil das den Ruf des ganzen Berufsstands infrage stellen würde, werde allerdings kaum darüber gesprochen. Bis jetzt! Damit sie offen über ihren Drogenkonsum sprechen können, haben wir die Namen der Medizinerinnen und Mediziner geändert.

Laetitia, 26, im zweiten Jahr ihrer Facharztweiterbildung an einer Psychiatrie 

VICE: Wie oft gehst du feiern?
Laetitia:
Mindestens einmal pro Woche, manchmal öfter. 

Was nimmst du dabei?
Fast immer Kokain, manchmal ein bisschen MDMA. 

Warum nehmen Ärzte deiner Meinung nach so viele Drogen?
Ich glaube, viele wollen ihre Grenzen austesten. Außerdem steht man in diesem Beruf unter großem Druck. Es ist eine Möglichkeit, loszulassen und sich um nichts zu kümmern.

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Ich erlebe so viele schwierige Situationen bei der Arbeit, sehr viel Leid. Wenn dann das Wochenende kommt, denke ich mir: "Scheiß drauf, ich muss das alles mal für ein paar Stunden vergessen." Als Psychiaterin weiß ich sehr gut, wie Drogen funktionieren. Man lernt in der Theorie, was sie im Körper machen, und will sie dann selbst ausprobieren. 

Hattest du je das Gefühl, dass du die Kontrolle verloren hast?
Ja, das ist schon mal passiert. Ich war 23 und machte wegen persönlicher Umstände eine schwere Zeit durch. Ich ging zwei- oder dreimal die Woche aus. Jedes Mal nahm ich MDMA, Ecstasy oder 3-MMC und war komplett überfordert. Mein Körper und meine Psyche konnten sich nicht erholen und ich merkte, wie es mir immer schlechter ging.

Ich hatte keine Überdosis, war aber kurz davor. Ich nahm viel zu viel MDMA und meine Serotoninwerte waren so niedrig, dass ich im Krankenhaus landete. Es fühlte sich an, als wäre ich auf meinem absoluten Tiefpunkt angekommen. Mir wurde klar, dass ich so nicht weitermachen konnte. Ich ging zum Psychologen – und zu einer Psychiaterin – und ich redete viel mit meinen Freundinnen und Freunden. Langsam ging es mir wieder besser. Ich verbannte einige Menschen aus meinem Leben, die sehr viel konsumierten und für mich toxisch geworden waren. 

Würdest du sagen, dass du heute eine Sucht hast?
Nein, aber ich spiele mit meinen Grenzen. In den letzten Wochen hat mir wieder etwas eine Riesenangst eingejagt. Aber sobald ich das Gefühl hatte, gefährdet zu sein, habe ich einen Termin bei meiner Psychiaterin gemacht. Das hat mir sehr geholfen. 

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Hast du dir jemals Rezepte selbst ausgestellt?
Ja, vor allem für Schlaftabletten. Wenn ich ausgehe und ein bisschen zu lange wachbleibe, muss ich wissen, dass ich später schlafen kann. Sonst werde ich nervös. Ich habe mir auch schon selbst Antidepressiva verschrieben. 

Wie gehst du mit dem Comewdown um, wenn du arbeiten musst?
Bis jetzt habe ich noch keinen Tag gefehlt, aber montags bin ich vielleicht nicht die Beste in meinem Job. Ich arbeite mit Patientinnen und Patienten mit Persönlichkeitsstörungen. Einige von ihnen sind narzisstisch und versuchen, einen zu manipulieren, niederzumachen. Man muss wirklich stark sein, um dagegen zu halten. Vor Kurzem habe ich vor einem meiner Vorgesetzten geweint, nur weil er meinte, dass ich pünktlich zur Arbeit kommen muss. Ich fühlte mich emotional so instabil und konnte die Fassung nicht bewahren. Es hat mich schockiert. 

Wie hat sich dein Konsumverhalten entwickelt?
In den vergangenen Monaten geriet es wieder mehr und mehr außer Kontrolle. Vor ein paar Wochen habe ich selbst eine kleine Intervention organisiert und mir eine App runtergeladen, mit der man seinen Konsum tracken kann. Sie heißt I Am Sober. In Zukunft möchte ich meinen Konsum auf jeden Fall etwas runterfahren. Und vor allem mit Koks aufhören.

Simon, 28, arbeitet in einer Arztpraxis und ist im zweiten Jahr seiner Weiterbildung zum Allgemeinmediziner 

VICE: Gehst du oft feiern?
Simon:
Ja, in der Regel jede Woche. Ich nehme viele verschiedene Drogen: Ecstasy, MDMA, 2C-B, Ketamin, Speed. Außerdem kiffe ich. Manchmal nehme ich auch Psychedelika – Shrooms und LSD –, aber nie auf Partys. 

Hat das Medizinstudium deinen Drogenkonsum beeinflusst?
Ich denke darüber nach, wie der Körper Drogen aufnimmt, welche Konzentration sie im Blut haben, wie sie abgebaut werden und welche Folgen der Konsum hat. Das motiviert mich auch dazu, die Kontrolle über meinen Konsum zu behalten. 

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Hast du jemals deinen Beruf genutzt, um an Drogen zu kommen?
Ich habe noch nie jemandem Medikamente verschrieben, ich wurde aber schon mal danach gefragt. Mir selbst habe ich allerdings schon mal was besorgt. Allgemeinmediziner haben einen Notfallkoffer mit Medikamenten wie Morphin und Benzodiazepin. Die waren kurz vor dem Verfallsdatum und anstatt sie wegzuwerfen, habe ich sie mit meinem Mitbewohner ausprobiert. Ich habe das später richtig bereut und mich total verantwortungslos gefühlt. Heute würde das nicht mehr passieren. 

War dein Drogenkonsum auch mal problematisch?
Es gab Phasen in meinem Leben, in denen es mir nicht gut ging und ich zum Ausgleich mehr konsumierte. Ich hatte nicht das Gefühl, dass es komplett außer Kontrolle gerät, aber ich nahm Drogen, um der Realität zu entfliehen – jede Woche und an mehreren Tagen. Ich wusste, dass es mir nicht gut geht, aber ich wusste auch, dass Abstinenz mein Problem nicht lösen würde, das hatte nämlich andere Ursachen. Ich begann, eine Therapie zu machen und hörte mit meinem etwas problematischen Konsum wieder auf. 

Welche Beziehung wirst du in Zukunft zu Drogen haben?
Ich glaube, Drogen werden in meinem Leben noch lange eine Rolle spielen. Mein Konsum hat sich schon spürbar verändert: vom Experimentieren zum Exzess zu dem, was ich heute mache, was meiner Meinung nach eine bewusstere Form des Konsums ist. Ich kann mir vorstellen, dass ich mit 60 noch Joints rauche oder mit Freunden trippe.

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Léo, 27, arbeitet in einem Krankenhaus und beginnt bald seine Stelle als Assistenzarzt 

VICE: Gehst du momentan viel aus?
Léo:
Jedes Wochenende, manchmal auch mehrmals am Wochenende. Ich mache das erst seit ein paar Monaten so, es ist also noch recht neu für mich. 

Welche Drogen nimmst du?
Vor allem MDMA, manchmal Poppers und hin und wieder auch Koks. Ich hätte allerdings nie gedacht, dass ich das mal tun würde. 

Warum?
Ich habe im Zuge meiner Ausbildung schon einige Patienten behandelt, die durch Kokain ernsthafte Probleme entwickelt haben, obwohl sie es nur ein paarmal genommen hatten. Ich weiß, dass es sehr schnell negative Auswirkungen auf den Körper haben kann, aber das hat mich nicht davon abgehalten, es selbst auszuprobieren. Ich will lieber mit 70 sterben und ein freies und intensives Leben führen, als mit 90 und immer kontrolliert und gesund zu sein. Ich hätte das Gefühl, etwas verpasst zu haben. 

Würdest du sagen, dass du Drogen maßvoll konsumierst?
Das war am Anfang mein Anspruch. Ich wusste zum Beispiel, dass es bei MDMA besser ist, sechs Wochen zu warten, bis man es wieder nimmt. Jetzt achte ich aber nicht mehr darauf, sondern mache es nach Gefühl. 

Was ist deine Hauptmotivation, Drogen zu nehmen?
Es ist eine Möglichkeit, impulsiv zu sein. Das hat mir in meinem Leben gefehlt – die Fähigkeit loszulassen. Bei meiner Arbeit kann ich nicht impulsiv sein und ich habe das Gefühl, dass mein ganzes Studium nur ein langer Prozess war, um herauszufinden, was ich später machen möchte. Jetzt will ich leben.

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Hast du es jemals mit den Drogen übertrieben?
Nein, aber ich bin mir sehr bewusst, dass es dieses Risiko gibt. 

Wie vermeidest du das?
Ich reflektiere meinen Konsum regelmäßig und versuche, eine kritische Grundeinstellung beizubehalten. Manchmal stürzt man und macht dadurch Fortschritte. Durch diesen Prozess lerne ich viel.

Martin, 29, drittes Jahr als Assistenzarzt in einer Hausarztpraxis 

VICE: Gehst du gerne aus?
Martin:
Ja, fast jedes Wochenende. 

Nimmst du Drogen?
Ich trinke fast immer Alkohol und nehme Ecstasy oder MDMA. Zuerst war das nur gelegentlich, also alle drei Monate, dann wurde daraus alle drei Wochen – es kommt drauf an. Ich habe auch ein paar Mal Mushrooms und Kokain probiert. Das hat mir aber beides nicht wirklich gefallen. Ich habe auch 4-MMC probiert, also Mephedron. 

Hattest du schon mal Angst, ein Drogenproblem zu entwickeln?
Ich glaube nicht, dass ich Suchttendenzen habe. Aber es gab eine Zeit, in der ich das Gefühl hatte, zu häufig zu viele Drogen zu nehmen. Meine Freunde haben mich dann darauf aufmerksam gemacht und ich habe angefangen, meinen Konsum zu hinterfragen und mir ein paar Grenzen zu setzen.

Als ich eine harte Trennung durchmachte, ging ich immer häufiger aus. Zuerst war es aufregend und machte Spaß. Dann kamen die Nebenwirkungen: Comedown, Kater, der Schlafmangel. Mir wurde bewusst, dass ich am Wochenende kaum was außer Feiern gemacht habe und dass ich meinen Konsum überdenken musste. 

Wie gehst du mit einem Comedown um, wenn du arbeiten musst?
Der Schlafmangel und die Konzentrationsprobleme machen mir eigentlich am meisten zu schaffen. Aber ich arbeite nur vier Tage die Woche. Ich weiß also, dass ich Zeit habe, mich zu erholen. 

Wie siehst du deinen Drogenkonsum in der Zukunft?
Er wird nicht regelmäßiger stattfinden, aber ich glaube, er wird immer eine Option neben Alkohol bleiben. Ich kann mir gerade nicht vorstellen, dass ich das mit 50 noch mache. Aber solange es nicht problematisch ist, werde ich weitermachen.

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